Unzugeordnete Artikel
Ein freier Raum –  mitten in Kirchheim

Erziehungshilfe   Die Ziegelhütte betreibt seit Sommer eine neue Außenstelle in der Max-Eyth-Straße. Die Räume stehen vor allem für Beratungsgespräche zur Verfügung, aber auch für eine Fotoausstellung.  Von Andreas Volz

Einen Freiraum will die Jugendhilfeeinrichtung Ziegelhütte ihren Klienten bieten, und das nicht nur im übertragenen Sinn. Den „Freiraum“ in der Kirchheimer Straße in Weilheim gibt es schon seit 14 Jahren. Jetzt im Sommer hat die Agentur ihre erste Außenstelle eröffnet: in der Max-Eyth-Straße 53 in Kirchheim. Anna Bentele und Peter Beck bieten dort – oder auch von dort aus – „intensive sozialpädagogische Familienhilfe“ an.

„Hier in Kirchheim steht die Beratung im Mittelpunkt“, sagt Heilpädagoge Peter Beck. „In Weilheim kann von der Ausstattung und vom Platz her mehr familienübergreifend gearbeitet werden.“ Die Arbeit ist sehr vielgestaltig. Anne Bentele und Peter Beck arbeiten mit einzelnen Familienmitgliedern, aber auch mit ganzen Familien – entweder in ihren Räumen in der Max-Eyth-Straße oder aber bei den Familien zuhause.

„Die Probleme in einer Familie lassen sich nicht nur einer Person zuschreiben, es steckt ein ganzes System dahinter“, erklärt Peter Beck. „Deshalb arbeiten wir mit diesem gesamten System – und nicht nur mit dem einen Jugendlichen, der Schulverweigerer ist.“ Anne Bentele ergänzt: „Ich vergleiche das Familiensystem gerne mit einem Netz. Wenn da eine Person wackelt, dann wackelt es auch bei allen anderen.“ Aber auch wenn die Balance einmal nicht ganz stimmt, stellt Peter Beck fest: „Wenn in einer Familie irgendetwas nicht gut läuft, heißt das ja noch lange nicht, dass alles schlecht ist.“
 

„Wenn eine Person im Netz der Famile wackelt, dann wackelt es auch bei allen anderen.
Anne Bentele
über die Familie als ein großes 
gemeinsames System

Außerdem gilt im Freiraum die Devise, dass man auch Fehler machen darf. Manchmal ist das sogar nützlich, weil man aus Fehlern oft mehr lernen kann als aus Erfolgen. Das Prinzip des „Freiraums“ gilt also auch für die Mitarbeiter. „Wir konnten diese Räume hier in Kirchheim in unserem eigenen Tempo einrichten, wir dürfen uns probieren und schauen, was zu uns passt“, berichtet Anne Bentele.

Wo Fehler zugelassen sind, wird auch nicht sofort die richtige Lösung präsentiert. So erzählt Constanze Beilharz, die Leiterin der Agentur Freiraum, aus dem Alltag: „Wir können uns vorstellen, was die Leute alles hinter sich haben, bis sie den Entschluss fassen, überhaupt Kontakt zu uns aufzunehmen. Deswegen hören wir erst einmal zu.“ Reden und zuhören sind wichtige Grundlagen für die Arbeit mit den Familien. Nur so kann die Arbeit funktionieren. Nur so lassen sich Lösungen finden, wie Peter Beck hinzufügt: „Wir haben kein fertiges Konzept. Es gibt nie ein Erfolgsrezept. Deshalb präsentieren wir auch keine fertigen Lösungen von außen. Die Leute haben die Lösungen in sich, Wir müssen sie gemeinsam mit ihnen finden und freilegen.“

Wichtig ist es, den Wert der anderen Menschen nicht wegen ihres Verhaltens in Frage zu stellen – zumal bei den Klienten, um die es hier geht. Ziegelhütten-Leiter Hendrik van Woudenberg gibt folgende Definition: „Wir haben es mit Menschen zu tun, die mit dem Regelsystem nicht zurechtkommen – und umgekehrt.“ Gerade dieser Perspektivenwechsel ist wichtig. Es ist nämlich auch das Regelsystem, das mit manchen Menschen nicht zurechtkommt.

Und für diese Menschen gilt erst recht, was für alle anderen auch gilt: „Es ist gut für Kinder und Jugendliche, Anerkennung zu bekommen.“ Diese Aussage Hendrik van Woudenbergs unterstreicht Peter Beck: „Vieles in der Schule ist defizitorientiert. Man kriegt Rückmeldung über das, was man nicht so gut kann. Im Freiraum sind wir ressourcenorientiert. Es geht nicht um das, was man nicht kann, sondern höchstens um das, was man noch nicht kann.“

Was hilfreich ist – außer Gesprächen –, sind Ausflüge in die Natur, Anne Bentele bietet das für Kinder der Konrad-Widerholt-Förderschule an: „Die Natur hat eine heilsame und beruhigende Wirkung. Kinder sind entspannter und gelassener, wenn sie draußen sind.“ Peter Beck ergänzt: „Die Natur bewertet nicht, wie ich aussehe und wie ich mich verhalte.“

Fotoausstellung „Augenblick“

Einer, der sich ebenfalls viel in der Natur aufhält, ist der 16-jährige Hendrik Kaminski: Er fotografiert Tiere und Landschaften. Manchmal sind das auch sehr künstliche Landschaften – etwa eine hell erleuchtete Waschstraße, ohne ein einziges Auto oder einen einzigen Menschen. Fotos von ihm sind derzeit im Freiraum in der Kirchheimer Max-Eyth-Straße ausgestellt. Zu sehen ist die Ausstellung mit dem Titel „Augenblick“ samstags von 9 bis 11 Uhr. Gewissermaßen handelt es sich sogar um eine Verkaufsausstellung: Wer eine Adresse hinterlässt, kann Abzüge einzelner Fotos bestellen. Die Anerkennung für den jungen Fotografen wäre immens, wenn viele seiner Bilder Abnehmer finden.