Lokales
Ein Gerücht und seine Geschichte

Kirchheim. Manchmal treibt die Kirchheimer Gerüchteküche schon seltsame Blüten. Da hört man beispielsweise, der Bären-Wirt, Musiknacht-Macher und Gemeinderat Michael Holz fordere ein Tanzverbot für die Milchbar, die früher „Schinderhannes“ hieß und seit dem vergangenen August Jugendliche gleich in Scharen anzieht. Neugierig wie man ist, geht man der Sache nach. Es könnte ja was dran sein.

Als Michael Holz hört, was er da angeblich gefordert hat, muss er erstmal lachen. Die Idee, irgendwo ein Tanzverbot durchzusetzen, bezeichnet er als „Wahnsinn“, die Gesetzgebung passe nicht mehr in die heutige Zeit. Schließlich könne man den Gästen bei Musikveranstaltungen schlecht verbieten, sich zu bewegen. Den Begriff hält er wegen seiner historischen Bedeutung ohnehin für problematisch. Die Nationalsozialisten setzten während des Zweiten Weltkriegs flächendeckend Tanzverbote durch, da Tanz und Kampf als nicht vereinbar galten.

Auch über das Gerücht, die Milchbar sei ihm ein Dorn im Auge, kann Michael Holz nur den Kopf schütteln – vor allem angesichts der Tatsache, dass er seine „Wunderbar“ soeben an den Milchbar-Betreiber verpachtet hat. „Für mich ist die Milchbar ganz wichtig, weil die jungen Leute deshalb nach Kirchheim kommen und hier bleiben“, sagt er. „Gerade am Wochenende ist die Bar eine echte Bereicherung.“

Das war also nix. Nächster Versuch, dieses Mal beim Kirchheimer Ordnungsamt. Jürgen Kölle, Marktmeister und zuständig für Gewerbe und Gaststätten, hat von dem Gerücht noch nichts gehört, weiß aber, was dahinter steckt. „Es gab im April eine anonyme Anzeige, in der gesagt wurde, dass die Milchbar eine versteckte Diskothek sei“, sagt er. Daraufhin sei das Ordnungsamt der Sache nachgegangen und habe der Milchbar einen Brief geschrieben, in dem es den Betreiber darüber aufklärte, dass er für eine Diskothek keine Lizenz habe. Weiter hieß es sinngemäß, dass ein Tanzverbot ausgesprochen werde, wenn der Betreiber eine Tanzfläche zur Verfügung stelle. „Das Wort ‚Tanzverbot‘ ist in dem Schreiben nicht gefallen, aber sinngemäß ging es darum“, sagt Kölle. Der Verdacht, die Milchbar sei eine Diskothek, sei jedoch „nicht haltbar“ gewesen. Auf gut Deutsch heißt das: In der Kellerbar wird zwar Musik gespielt und die Gäste wippen auch mal mit dem einen oder anderen Fuß, aber der Betreiber stellt keine Tanzfläche zur Verfügung und hält sich damit an Recht und Gesetz.

Gunnar Stahlberg, Betreiber der Milchbar, findet das Gerücht, er führe einen illegalen Tanzschuppen, überhaupt nicht komisch. „Natürlich spielen wir Musik, aber wir sind keine Diskothek“, sagt er.

Stahlberg glaubt, dass ihn kein Anwohner, sondern ein Wettbewerber angezeigt hat. Damit könnte er Recht haben, denn den Nachbarn kann es theoretisch gleich sein, ob in der Bar nur mit dem Fuß gewippt wird oder die Gäste verbotenerweise auf den Tischen tanzen. Aus dem sieben Meter tiefen Keller, der zusätzlich mit einer Lärmschutztür abgedichtet ist, dringt ohnehin kein Laut. Die einzige Lärmquelle sind die Gäste, die zur Bar pendeln oder davor herumstehen, weil sie nicht hineinkommen. „Dieses Problem haben aber alle Innenstadtkneipen“, sagt Jürgen Kölle. Gemeinsam mit den Gastronomen habe die Stadt Maßnahmen erarbeitet, um dem entgegenzuwirken. Beispielsweise würden die Kneipen Türsteher abstellen, die die Gäste ermahnten, leise zu sein. Außerdem könnten die Anwohner die Handynummern der Wirte bekommen, um sich im Zweifelsfall direkt zu beschweren.

Auch Gunnar Stahlberg beteiligt sich an diesen Maßnahmen – mit Erfolg, wie er betont. Die Klagen hätten deutlich abgenommen.

Der junge Gastronom ist erleichtert darüber, dass die Anschuldigung ausgeräumt ist. „Es ist gut, dass man in Kirchheim einen offenen Dialog mit der Stadt führen kann“, sagt er. Den Bären-Wirt Michael Holz bezeichnet er als wichtigen Berater, dem er sehr dankbar sei.

Und was lernen wir daraus? Am Ende des Gerüchts haben sich alle wieder lieb.