Lenningen. „Ich will auch ein bisschen sein wie du.“ Am Sarg in der Bruckener Friedhofskapelle liest Christian Huss vor, was sein nicht sprechender autistischer Bruder Johannes dem verstorbenen Vater geschrieben hat. Der Text zeugt von empfangener wie gegebener Liebe. Es ist eine anrührende Trauerfeier und der Abschied von Gottfried Johannes Huss, einem besonderen Menschen, der im Alter von 82 Jahren gestorben ist.
Das macht einem nicht nur die Familie bewusst, das verdeutlichen auch die sehr persönlichen Nachrufe, gehalten von Stephan Zilker, dem Vorsitzenden der Lebenshilfe Baden-Württemberg, und Bärbel Kehl-Maurer, der Vorsitzenden der Lebenshilfe Kirchheim. In beiden Gremien hat Gottfried Huss viele Jahre an vorderster Stelle Rechte für Menschen mit Behinderung eingefordert und durchgesetzt. Schon lange vor der heute mit Inklusion umschriebenen Teilhabe am ganz alltäglichen Leben kämpfte er dafür und setzte sich zugleich auch für eine Stärkung der betroffenen Eltern ein.
Dies nicht etwa hauptamtlich, sondern neben seinem nicht minder begeistert ausgefüllten Berufsleben, zuletzt als Professor an der Fachhochschule Esslingen im technischen Bereich. So wie er seinen Studenten stets auf Augenhöhe begegnet ist, war es ihm ein Anliegen, auch Menschen mit Behinderung und deren Angehörige partnerschaftlich einzubeziehen. Erreicht hat er dabei vieles, auch auf politischem Terrain. Vertrauensvoll, herzlich und zuweilen auch ziemlich impulsiv hat er angepackt, was ihm wichtig war. Ein wohnortnaher Schulkindergarten in Kirchheim für Kinder mit einer geistigen Behinderung gehörte dazu ebenso wie die Planung einer Werkstatt oder eines Wohnheims für behinderte Menschen. Aber auch auf Landesebene ließ er nicht locker, wenn es für die ihm anvertrauten Menschen etwas zu erreichen galt, selbst wenn dabei eine bereits auf den Weg gebrachte Verordnung wieder eingestampft und neu gestaltet werden musste.
Kontaktpflege war Gottfried Huss sehr wichtig bis in die Politik hinein, um immer wieder auf die Belange von Menschen mit Behinderung nicht nur aufmerksam zu machen, sondern in ihrem Namen konkrete Forderungen zu stellen. Höflich, aber bestimmt und mit einer geradezu unwiderstehlichen Fröhlichkeit, die Jungenhaftigkeit aufblitzen ließ und zum Erfolg führte. Das wusste man bei der Lebenshilfe auch auf Bundesebene zu schätzen.
„Er war ein großer Kämpfer für uns alle“, klang bei der Trauerfeier an. Es wurde aber auch deutlich, dass er nicht allein gelassen wurde, als in der letzten Zeit seines Lebens ein dunkler Schatten immer bedrückender wurde. Gottfried Huss war stolz auf seine Söhne. Und es war sicher kein Zufall, dass der jüngere Christian aus dem Brief seines älteren autistischen Bruders Johannes an den verstorbenen Vater zitierte: „Ich will auch ein bisschen sein wie du.“