Kirchheim. Ob es sich um die Mitarbeiterinnen im Stadtarchiv handelt oder um die Kooperation mit der Stadtverwaltung – Joachim Brüser lobt das ausgesprochen gute Zusammenwirken in Kirchheim und zeigt sich ganz begeistert: „Ich habe noch nie in einer so tollen Atmosphäre gearbeitet.“ Seine Begeisterung bezieht sich aber nicht nur auf die Menschen, mit denen er in Kirchheim zu tun hat, sondern auch auf das „gut bestellte Haus“ im Kirchheimer Stadtarchiv. „In den letzten 30 Jahren ist hier sehr gut gewirtschaftet worden“, zollt er seinen beiden Vorgängern Rainer Kilian und Dr. Roland Deigendesch Respekt.
Das soll nun aber nicht heißen, dass im Stadtarchiv bereits alles erledigt ist und es nichts mehr zu tun gibt für Joachim Brüser. „Ich habe viel Arbeit“, sagt er und betont dabei, dass er auf dem aufbauen kann, was seine beiden Vorgänger geschaffen haben. Mit Roland Deigendesch, der inzwischen als Stadtarchivar in Reutlingen tätig ist, verbindet ihn eine gute und kollegiale Zusammenarbeit, sodass die Kontinuität der Kirchheimer Archivarbeit durchaus gewährleistet ist.
Roland Deigendesch hat auch seine Zelte in Kirchheim nicht überstürzt abgebrochen. Im Gegenteil: Am Donnerstag und Freitag kommt er an seine alte Wirkungsstätte zurück, um bei einer Fachtagung über die Klosterchronik der Magdalena Kremerin mitzuwirken, deren Planung größtenteils noch in seine Kirchheimer Amtszeit gefallen war. Selbstverständlich haben sich der alte und der neue Stadtarchivar auch bei der weiteren Organisation dieses interdisziplinären Dialogs bislang gut miteinander abgestimmt.
Auch „die ganz große Baustelle“ hat Joachim Brüser von seinem Vorgänger übernommen: Das Archiv droht nämlich aus allen Nähten zu platzen. „Wir sind voll“, sagt der neue Stadtarchivar. Allein bei den Aktenlieferungen, die für das aktuelle Jahr noch angekündigt sind, werde es bereits sehr eng im Haus am Freihof. Welche Lösung das Platzproblem im Kirchheimer Stadtarchiv beheben helfen könnte, darüber sagt Joachim Brüser noch nichts. Aber bereits sein Vorgänger habe hierzu mehrere Strategien entworfen und durchdacht: „Daran kann ich weiter anknüpfen.“
Ebenfalls anknüpfen will er an die begonnene Digitalisierung der Kirchheimer Archivbestände. Er spricht von ungefähr 20 000 Digitalisaten, die man allesamt online stellen könnte. Als Beispiel nennt er die Fragmente-Ausstellung im Rathaus vom vergangenen Jahr, bei der unter anderem ein einmaliges Gutenberg-Bibel-Fragment zu sehen war: „Das wäre für unsere Präsentation im Internet sicher herausragend.“
Weiterarbeiten will Joachim Brüser auch an der Schriftenreihe des Kirchheimer Stadtarchivs. Ende des Jahres soll bereits der nächste Band erscheinen: „das lange angekündigte Orgelbuch“. Für Anfang 2014 ist ein weiterer Band geplant, der sich als Schwerpunkt dem Thema „Geburts- und Hebammenwesen in Kirchheim vom Mittelalter bis 1945“ widmen wird. In etwas weiterer Ferne liegt ein Schriftenreihenband, der der Jesinger Ortsgeschichte vorbehalten sein soll. 2018 dürfte dieser Band erscheinen, also gerade rechtzeitig vor dem Jesinger Jubiläumsjahr 2019, in dem die 1250. Wiederkehr der ersten urkundlichen Erwähnung Jesingens aus dem Jahr 769 gefeiert wird.
„Da sind wir gerade in der Autorenfindungsphase“, sagt Joachim Brüser und zeigt sich zuversichtlich, „gute Leute zu finden“. Er ist ohnehin beeindruckt davon, auf welchem Niveau die lokalen Geschichtsforscher in und um Kirchheim bislang schon gearbeitet haben. Zwei überaus wichtige Autoren der vergangenen Jahrzehnte stehen leider nicht mehr zur Verfügung: Rainer Kilian ist vor einem Jahr gestorben und Dr. Rolf Götz Anfang dieses Jahres. Beide hatten an der Kirchheimer Stadtgeschichte mitgearbeitet, die 2006 als ein abschließender Höhepunkt in der Amtszeit Rainer Kilians als Stadtarchivar erschienen war.
Joachim Brüser dagegen steht noch am Anfang seiner Zeit in Kirchheim und zeigt mit einer weiteren Tätigkeit, dass es in der Archivarbeit nicht nur um alte Handschriften aus vergangenen Jahrhunderten geht: „Wir haben inzwischen die alte Homepage der Stadt komplett archiviert.“ Und auch die aktuelle Homepage soll viertel- bis halbjährlich elektronisch abgelegt werden. „Eine Homepage ist eine wichtige Publikation der Stadt“, sagt der Archivar und verweist auch auf den Wandel in Gestaltung und Inhalt der Internetauftritte, der sich dadurch ebenfalls langfristig dokumentieren lasse.
Nicht vergessen will er aber die Aufgaben in der Registratur. Diese Arbeit werde in der Außenwirkung des Stadtarchivs häufig übersehen. Die Verwaltung arbeite nur mit den aktuellen Akten. Was dagegen schon älter ist, aber doch immer wieder benötigt wird, das sei ein Fall für die Registratur. Das Stadtarchiv betreut in diesem Fall also „den Aktenschrank der Verwaltung“, der im Keller des Rathauses untergebracht ist.
„Eigentlich bin ich so etwas wie der Geschichtsbeauftragte der Stadt“, meint Joachim Brüser und blickt dabei auf die Stadtführerausbildung, die Kirchheim-Info, Volkshochschule und Stadtarchiv dieses Jahr gemeinsam anbieten. „Ein nicht unerheblicher Teil dieser Ausbildung ist historisch“, und dafür ist er als Stadtarchivar zuständig. Er selbst bezeichnet sich zwar als „Frühneuzeitler“. Aber auch im 19. und 20. Jahrhundert sei er durchaus „fit“. Und seine Aufgabe in Kirchheim ist ihm bereits im ersten halben Jahr so sehr ans Herz gewachsen, dass er sich auch in der mittelalterlichen Geschichte der Stadt immer weiter vorarbeitet.