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Ein Hoch auf die Schnörkel

Kirchheim verwandelt sich: Das ist die gute Nachricht, wenn es um den neuen Bebauungsplan für das Gerberviertel geht. Aber die Medaille hat eine Kehrseite. Die weniger gute Nachricht lautet nämlich: Kirchheim verschandelt sich.

Es gehört zu den unauflösbaren Konflikten moderner Architektur, dass sie eine eigene Ästhetik propagiert, bei der es keinerlei Schnittmenge gibt mit der Ästhetik des „gewöhnlichen“ Innenstadtbesuchers, den die Stadt als (Tages)-Tourist so gerne anlocken möchte. Unter energetischen Gesichtspunkten sind kubische Gebäude sicher besser als Häuser mit Türmen, Erkern und Dachgauben. Wer sich aber als „normaler“ Mensch an einer Stadt und ihren markanten Gebäuden erfreuen will, bevorzugt Fachwerk, Schnörkel, Zierrat.

Natürlich präsentiert sich das Most-Gebäude, das jetzt zur Disposition steht, seit langer Zeit schon in einem deutlich heruntergekommenen Zustand. Eine sorgfältige und sachgerechte Sanierung rechnet sich deshalb wohl auch nicht - verglichen mit den Möglichkeiten, die ein Neubau an einer so zentralen Stelle der Stadt eröffnet.

Auch ist der Aussage eines Stadtrats durchaus zuzustimmen, dass das Gebiet schöner werden sollte. Andererseits aber hat das Gebiet vor allem das Problem des Heruntergekommenen - in jeder Hinsicht. Deshalb wird sich der Charakter des Gebiets nach Abriss und Neubau sicherlich zum Positiven verändern.

Was aber auf der Strecke bleiben wird, ist das Gebäude, denn die moderne Architektur hat eben keinen Sinn für die Türmchen-Ästhetik, die selbst dem heruntergekommenen Most- Gebäude noch einen beträchtlichen Charme verleiht. Und ohne einen solchen Charme gibt es keinen Touristen-Schwarm. Andreas Volz