Die Komplexität der Milchquote
Ein Kämmerer geht an die Börse

Was so alles auf einen Kämmerer zukommen kann, das durfte jetzt Sven Kebache erfahren. In der jüngsten Sitzung informierte er den Notzinger Gemeinderat, dass er Börsengeschäfte tätigen wird, und zwar von Amts wegen. Wer nun denkt, der Kämmerer


wäre ein skrupelloser Spekulant und Zocker liegt jedoch ganz falsch. „Ein Landwirt, der Flächen von uns gepachtet hat, gibt seinen Milchviehbetrieb auf. Somit geht die Milchquote an die Gemeinde zurück“, erklärte er. Bei der Milchquote handelt es sich um ein von der damaligen Europäischen Gemeinschaft – heute EU – im Jahr 1984 geschaffenes Regulierungsmittel, um die Butterberge und Milchseen abzuschaffen. Es ist quasi die litergenaue Erlaubnis, Milch überhaupt produzieren zu dürfen. Das Verfahren entpuppte sich jedoch als stumpfes Schwert, weshalb es 2015 ausläuft. Alles auf Anfang wird es dann heißen, der Markt soll‘s richten.

Doch bis 2015 ist es noch ein Weilchen hin, weshalb sich Sven Kebache jetzt mit der Milchquote auseinander­setzen muss. Sie einfach an den nächsten Bauern verkaufen darf er nicht – das wäre bei einer EU-Regelung ja auch zu simpel. Mit seinem Kontingent von 18 678 Kilogramm muss der Kämmerer an die Milchbörse. Die nimmt ihre Tätigkeit aber nur zu ganz bestimmten Terminen drei Mal im Jahr auf. „Am 1. Juli war die letzte, die nächste wird am 2.  November sein“, erklärte Sven Kebache.

Sehr zur Verwunderung der Räte – die waren schon allein über die gemeindeeigene Milchquote erstaunt – konnte Sven Kebache weiter berichten, dass er nicht etwa mit seinen rund 19 000 Kilogramm Milch an die Börse darf, sondern nur mit 12 452 Kilogramm. Ein Drittel fließt ganz automatisch dem Zoll in die Kassen. „Die Milchquote ist eigentlich eine Abgabe, deshalb ist der Zoll involviert“, bringt Rechtsanwalt Heiner Klett, beim Landesbauernverband für Agrarrecht zuständig, Licht in die Angelegenheit. Selbst er war erstaunt, dass Notzingen mit dieser Thematik befasst ist. „Das muss ein Uralt-Pachtvertrag sein“, vermutet er. Bei allen Pachtverträgen, die vor 1984 abgeschlossen wurden, „klebt“ die Quote quasi an der Fläche.

„Das ist ein komplexes Verfahren“, musste Sven Kebache erfahren. Doch weil ihn rein dienstlich alles freut, was in seiner Gemeindekasse klimpert, stellte er sich mit Sportsgeist dieser Aufgabe und informierte sich über die bei der jüngsten Börse erzielten Preise. „Das waren zum Erstaunen aller Beteiligten 14 Cent pro Kilogramm“, sagte er. Weil es bis 2015 nur noch sieben Börsengänge gibt, hatten Fachleute mit einem wesentlich geringeren Betrag gerechnet. „Die Tendenz geht eher nach unten“, gab er deren Prognosen weiter.

Es gibt aber noch einen weiteren Fallstrick für den Kämmerer zu beachten, denn einfach nur das Kontingent an der Börse feilbieten geht nicht. „Wir müssen den Preis im Vorfeld nennen. Wenn wir zu hoch po­kern, bleiben wir darauf sitzen“, gab er zu bedenken. Neues Spiel, neues Glück also, es geht in die nächste Runde – aber das ist auch schon die letzte. Denn: Der Zoll lauert auch hier schon wieder auf seine Chance. „Wenn wir da wieder zu hoch liegen, geht alles an den Zoll über“, so Sven Kebache.

Er bäckt deshalb lieber kleine Brötchen und stimmt sich mit dem Landesbauernverband ab. „Möglicherweise bekommen wir 1 000 Euro“, rechnete der Kämmerer vor. Da sind dann die Gebühren für das Landratsamt und das Regierungspräsidium Tübingen – Letzteres ist für die technische Abwicklung nach den Vorgaben der Milchquotenverordnung (MilchQuotV) verantwortlich – immerhin schon abgezogen.