Plochingen. Die Ideen gehen Min Seob Ji nicht aus. Ein Paar Damenbeine liegen im Plochinger Atelier der Landkreis-Kunststipendiaten in einem schwarzen Bottich, ansonsten dominiert eine große Leinwand
den Raum. Eigentlich hatte der zierliche Südkoreaner, der in einem kleinen Dorf bei Seoul aufgewachsen ist, nach dem Abitur Hotelmanagement studiert. Während eines Urlaubssemesters musste er allerdings seinen Militärdienst ableisten. Das war eine Zäsur im Leben des heute 39-Jährigen. Die ständige Enge sei schwer zu ertragen gewesen. 20 Leute waren es im Schlafsaal: putzen, essen, alles immer gemeinsam. Da kam es zu Spannungen und Prügeleien. „Ich habe auch geschlagen“, gibt er mit einem verlegenen Grinsen zu. Anders habe man sich keinen Respekt verschaffen können.
Klar war aber in dieser Zeit für ihn: „Ich wollte allein arbeiten.“ Aus war’s mit dem Beruf im Hotel. Sein neues Ziel war es, Kunst zu studieren. Ein Jahr lang arbeitete er in einer Kunststiftung. Ein Freund, der in Dortmund lebte und Drehbücher schrieb, schlug ihm vor, doch nach Deutschland zu kommen. 2003 tat er das, nachdem er drei Jahre Geld für den Flug gespart hatte. „Ich hab’ voll Angst gehabt“, sagt Ji, dessen Nachname sich wie ein weiches „Dschi“ spricht. „Ich konnte kaum etwas einkaufen“, erinnert er sich an seine Anfangszeit. Doch Sprachkurse in Bonn änderten das schnell.
Mit gezeichneten Bäumen bewarb er sich an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. „Meine Mappe war nicht gut, der Professor hat gelacht.“ Genommen wurde er trotzdem. Seit 2005 studiert er dort. Und obwohl er sagt: „Ich hasse Computer eigentlich“, sind etliche Videoprojekte entstanden. „Schlossplatz“ heißt ein zweiminütiges Werk von 2008. Dort stellte sich Min Seob Ji während der Fußball-Europameisterschaft in Österreich und in der Schweiz auf – mit einem Spiegel im Mund. Diesen filmte er. In der kuriosen Perspektive mit dem dominierenden Mund sieht man Passanten und Fans mit Flaggen. Man hört Tröten und Fragen: „Warum hat der ’nen Spiegel im Mund?“
Performances macht Min Seob Ji inzwischen auch – dank eines Missverständnisses. „Ich dachte nicht, dass ich das kann, ich bin schüchtern.“ Ein befreundeter philippinischer Künstler bat ihn, bei seiner Ausstellung ein Lied zu singen. In Frauenkleidern, als Prinzessin. „Ich dachte, er macht die Hauptrolle.“ Falsch gedacht. Ji stand alleine da. Eines schwor er sich an dem Abend: „Ich mache das nie wieder für andere Leute.“ Aber er wusste seitdem: „Ich kann das.“ Geprobt wird nicht. „Ich muss improvisieren, das ist voll spannend.“ So wusste er nicht, wie der Inhalt des Kochtopfs schmecken würde, dessen Zutaten er bei der Performance „Kimchi“ hineingehobelt hat: Die koreanische Nationalspeise enthielt nicht nur Rettich, Kohl und Chilisoße, sondern als Beigabe ein deutsches Geschichtsbuch. „Schmeckt nicht so gut.“ Manchmal arbeite er auch politisch. In Korea lerne man wenig über Deutschland. Erst hier war er positiv überrascht, wie die Deutschen mit sehr vielen Ausländern zusammenlebten und feierten. „Voll interessant“ findet er das.
Die drei Jahre Stipendium, in denen er das Plochinger Atelier nutzen kann, sind für ihn sehr wertvoll: Er kann große Objekte bauen und die Videos auf Großleinwand ansehen. „Hier ist es schön ruhig und man ist angenehm allein – ich würde am liebsten herziehen.“ Wohnen dürfen die Künstler dort aber nicht.
Aus gelben Sanitärschläuchen hat der 39-Jährige das Kunstwerk „Rauchen erlaubt“ gebaut, das er im Baggersee in Neckartailfingen getestet hat. Weil er gerne schwimmt, wollte er ein Paradox in Szene setzen: Niemand schwimmt und raucht gleichzeitig. Die Aktion wollte er mit einer Unterwasserkamera aufnehmen. Aber es war dem Künstler, der an Wochenenden zum Geldverdienen in der Schwabengarage aufräumt, zu teuer, die Kamera zu leihen. So ließ er sich Ende August schwimmend von umstehenden Jugendlichen, die das alles lustig fanden, ablichten. Die Fotos ließ er sich von ihnen schicken.