Ein angenehmer Holzgeruch liegt in der Luft, Werkzeuge hängen fein säuberlich sortiert an der Wand, und das Sonnenlicht fällt durch die großen Türen auf die alten Säge- und Bohrmaschinen: Der Oberensinger Klaus-Dieter Jorde fühlt sich in der Werkstatt im Keller seines Hauses pudelwohl. Kein Wunder, dass er hier einen Großteil seiner Zeit verbringt, um seinem großen Hobby, dem Schreinern, nachzugehen. „Manchmal schaut meine Frau nach mir, ob ich noch lebe“, scherzt der 66-Jährige.
Das Schreinern liegt dem Rentner im Blut. In seiner Familie seien die meisten der Vorfahren väterlicherseits Tischler gewesen. Weil sein Vater nach dem Zweiten Weltkrieg bei der Firma Metabo gearbeitet hat, sind zahlreiche Maschinen in den Familienbesitz gekommen - „und die leisten auch heute noch beste Arbeit“, so Jorde.
Durch die Maschinen kam er als Jugendlicher dann auch zum Schreinern. Schon mit 17 Jahren vollendete er sein erstes Werk: eine Kassettendecke aus Holz, die noch heute in dem Haus hängt, in dem er aufgewachsen ist und noch immer wohnt. Beruflich hat Jorde das Schreinern nicht erlernt. „Ich wollte lieber einen Beruf im Freien ausüben“, erinnert er sich, weshalb er in Stuttgart Vermessungstechnik studierte. Schnell verschlug es ihn dann jedoch in die IT-Branche, an den Schreibtisch. „Deshalb habe ich nach Feierabend geschreinert. Das war mein Ausgleich zum vielen Sitzen.“
Seit er in Rente ist, widmet sich der Hobbyschreiner einer ganz besonderen Form des Holzbaus: japanische Schreinerkunst. „Das finde ich absolut faszinierend“, so der 66-Jährige. Durch viele Recherchen in Büchern und im Internet ist der Oberensinger auf die asiatische Schreinerkunst aufmerksam geworden und wusste sofort: „Das möchte ich auch machen.“
Hauptsächlich widmet er sich der filigranen Holzkunst „Kumiko“. Dabei werden wenige Millimeter dicke Holzteile in präziser Arbeit zurechtgeschnitten und zu symmetrischen Mustern zusammengesetzt. Kumiko-Elemente sind in vielen japanischen Möbelstücken verarbeitet.
„Man wird am Anfang fast verrückt, weil es so lange dauert“, sagt Klaus-Dieter Jorde. Ganz ohne Nägel und Schrauben, lediglich mit etwas Leim, muss jedes einzelne Holzteil perfekt sitzen und halten. Jeder Millimeter und Winkel wird einzeln überprüft. „Es kommt auf Zehntelmillimeter an“, sagt Jorde. Frust empfindet er bei der mühsamen und komplizierten Kunst nie. „Ich kann dabei entspannen.“
Inspiration holt er sich auch von befreundeten Kumiko-Künstlern auf der ganzen Welt. „Vernetzt zu sein ist das Wichtigste“, sagt Jorde, der mittlerweile regelmäßigen Kontakt nach Australien, Japan und in die USA hat. Darunter auch Kumiko-Koryphäen. „In Deutschland ist diese Kunst kaum verbreitet“, erzählt der Rentner.
Sein bisher größtes Werk sind vier japanische Naka-Nuki-Shoji-Türen, Schiebetüren, die er in seinem Haus installiert hat. Bevor er die Türen anbringen konnte, musste er seiner Frau beweisen, dass er die Geduld hat, diese zu bauen. Dazu sollte der Rentner ihr eine japanische Andon-Lampe bauen. Jorde nahm sich der Herausforderung an und baute prompt vier der Holzlampen. Ein ganzes Jahr baute Jorde anschließend an den vier Meter breiten und über zwei Meter hohen Shoji-Türen. Auf beiden Seiten ist Elsbeere und afrikanisches Wengé-Holz verbaut. Der Rahmen besteht aus Lärchenholz, das er vom befreundeten Schreinermeister Thomas Sterr aus Oberboihingen erhielt. Zwischen dem Holz ist japanisches Washi-Papier gespannt, das aus Pflanzenfasern des Maulbeerbaums besteht.
„Kumiko lehrt mich Geduld und Genauigkeit. Mir macht das riesigen Spaß“, fasst Jorde zusammen. Für die Zukunft hat er schon die nächsten Ideen parat und weiß, was er als Nächstes lernen will. „Kumiko hat fast keine Grenzen. Es gibt so viele Techniken, die ich noch erlernen möchte.“