Ende des Jahres laufen die Fördermittel für die Kompetenzagentur aus – Zukunft ungewiss
Ein Stück Jugendhilfe auf der Kippe

Wenn Jugendliche den Weg ins Berufsleben nicht aus eigener Kraft bewältigen, hilft ihnen die Kompetenzagentur Kirchheim/ Nürtingen auf die Sprünge. Nach sieben Jahren steht das Projekt nun auf der Kippe, weil sich der Bund aus der Finanzierung zurückzieht. Helfen könnte der Landkreis.

Kirchheim. Bei Leonie S. (Name geändert) waren etliche Möglichkeiten schon ausgeschöpft. Die junge Frau hatte nach ihrem Förderschulabschluss ein Berufsvorbereitungsjahr samt Lehrgangspraktika absolviert. Das Richtige war für sie nicht dabei. Auch eine geförderte Ausbildung brach sie ab. Schließlich blieb Leonie einfach zu Hause. Über die Agentur für Arbeit kam sie zur Kompetenzagentur Kirchheim. Dort nahm Diplom-Sozialarbeiterin Monika Richter die junge Frau unter ihre Fittiche. Sie klopfte Interessen und Vorstellungen ab und half Wunschträume von realistischen Optionen zu unterscheiden. Schließlich vermittelte sie Leonie ein Praktikum in einem Altenheim. „Das Feedback war absolut positiv“, freut sich Monika Richter. Nicht nur, dass Leonie die Arbeit Spaß machte und das Heim mit ihr rundum zufrieden war. Die Einrichtung erklärte sich sogar bereit, speziell für die junge Frau eine Ausbildungsstelle zu schaffen.

Zwar sind solche Erfolgsgeschichten bei der Kompetenzagentur, die als Projekt bei der Stiftung Tragwerk angesiedelt ist, auch nicht alltäglich. Aber es gibt sie. Und darüber hinaus noch viele kleinere Erfolge und Lichtblicke für junge Menschen.

Wie lange es die Kompetenzagentur Kirchheim als Auffangnetz für förderbedürftige Jugendliche noch geben wird, ist fraglich. „Es sieht um die Zukunft nicht gerade rosig aus“, sagt Manfred Sigel, Vorstandsvorsitzender der Kirchheimer Stiftung Tragwerk. „Wir haben die Info, dass die Fördermittel des Bundes zum Jahresende auslaufen“, so Sigel. „Aber mit Ende der Förderung verschwinden nicht die Jugendlichen.“ Es stelle sich die Frage, wie die Hilfen auch künftig aufrechterhalten werden können. „Das geht vermutlich nur, wenn der Landkreis in die Finanzierung einsteigt“, so Sigel. Gespräche dazu seien geplant.

Die Arbeit der Kompetenzagentur ist aus Manfred Sigels Sicht auch sieben Jahre nach Projektstart noch von hoher Bedeutung. „Es gibt Jugendliche, die durch sämtliche Netze und Raster fallen“, sagt er. Meist haben die jungen Menschen berufsvorbereitende und geförderte Maßnahmen hinter sich, sie haben Ausbildungen abgebrochen und finden den Weg in ein geregeltes Berufsleben nicht mehr aus eigener Kraft. Oft kommen zerrüttete Familienverhältnisse, Schulden oder Kriminalität dazu. Ziel der Kompetenzagentur ist es, solche besonders förderungsbedürftigen Jugendlichen sozial und beruflich zu integrieren. Das geschieht meist über die sogenannte „Einzelfallhilfe“, bei der sich Mitarbeiter intensiv mit den jungen Menschen beschäftigen und passgenaue Lösungen für sie suchen. Dabei vermitteln die Mitarbeiter auch zwischen den Jugendlichen und den Jobcentern, Arbeitsagenturen, Bildungseinrichtungen, Arbeitgebern und der Jugendhilfe.

Frappierend ist nach wie vor die Dunkelziffer ausgegrenzter Jugendlicher, die auch zentrales Thema beim jüngsten Regionaltreffen der Kompetenzagenturen im Kirchheimer Wächterheim war (siehe auch Text unten). Lediglich 300 000 Jugendliche gelten laut der Bundesagentur für Arbeit als arbeitslos. Tatsächlich sind es viel mehr junge Menschen, die keine Arbeit haben, keine Sozialleistungen bekommen und nicht als arbeitssuchend gemeldet sind.

Das Phänomen existiert auch im Landkreis Esslingen, wie eine Studie der Jugendagentur Kirchheim/Nürtingen von 2013 zeigt: „Im Rahmen einer Umfrage haben wir innerhalb von nur zwei Wochen 53 Jugendliche und junge Erwachsene ausfindig gemacht, die aus allen Bildungs-, Erwerbs- und Sozialsystemen herausgefallen sind“, berichtet Wolfgang Harder, ehemaliger Koordinator der Jugendagentur. Die Erhebung sei fundiert. „Wir kennen jeden Einzelnen mit Namen.“

Umso wichtiger ist seiner Ansicht nach die Arbeit der Kompetenzagentur. „Sie würde für sich und als Teil der Jugendagentur fehlen“, ist er überzeugt. Zum einen decken Mitarbeiter der Kompetenzagentur auch Beratungszeiten der Jugendagentur ab, zum anderen gehe die Arbeit der Kompetenzagentur mit ihrer Einzelfallhilfe und aufsuchenden Arbeit noch weiter. „Wichtig ist auch Kontinuität bei den Mitarbeitern“, nennt Harder einen weiteren Punkt. Denn eine große Rolle spielt bei der Beratung Jugendlicher das Vertrauen, wie auch Monika Richter betont: „Die jungen Menschen kommen freiwillig zu uns.“ Dass auch Jugendliche, die eigentlich aus allen Systemen fallen, Hilfe wollen, steht für sie außer Frage: „Meiner Meinung nach will jeder Mensch seinen Platz in der Gesellschaft finden – auch wenn er anfangs noch so dagegen ist.“