Beuren. Das Tante-Helene-Lädle im Freilichtmuseum ist eine Institution. Allerdings hatte bei der Geschichte, wie das Lädle ins Museum kam, der Zufall seine Hand im Spiel.
Im Jahr 1929 eröffnete Albert Schach in der Werastraße 32 in Nürtingen im eigenen Haus seinen Kolonialwarenladen. 63 Jahre behauptete sich das Geschäft gegen die immer größer werdende Konkurrenz. Den kleinen Laden am Laufen hielt bis zuletzt Helene Schach, die 1992 im Alter von 67 Jahren starb und zu diesem Zeitpunkt 47 Jahre hinterm Ladentisch gestanden hat. Um sie ranken sich allerhand Geschichten und Anekdoten. So war sie stets bemüht, die Wünsche ihrer Kunden zu erfüllen, auch wenn sie den gewünschten Artikel selbst nicht im Regal hatte. So habe sie auch mal das gewünschte Glas Nutella in einem größeren Geschäft gekauft und es dann per Fahrrad ihrer Kundin ans Haus gebracht. Weniger schön ist, dass sich die Nachbarskinder einen Spaß daraus machten, der armen Frau ständig irgendwelche Streiche zu spielen.
Helene Schach ist vor 22 Jahren gestorben, ihr Lädle hat überlebt. Bereits kurz nach dem Tod der Ladenbesitzerin hätten sich Helene Schachs Schwester Else Einsele und deren Familie bemüht, die komplette Ladeneinrichtung zu retten, berichtet Museumsleiterin Steffi Cornelius. Das Nürtinger Stadtmuseum habe bedauernd abgewunken, und so sei das hölzerne Ladeninterieur zum Freilichtmuseum gekommen, wo es zunächst für vier Jahre im Museumsdepot eingelagert wurde.
Im Jahr 1994 wurde der Förderverein Freilichtmuseum Beuren aus der Taufe gehoben. Dieser hat sich auf die Fahne geschrieben, die Arbeit und den weiteren Ausbau des Museums ideell und materiell zu unterstützen, was er auch nach Kräften tut. Die Mitglieder des damals noch jungen Vereins traten 1996 an Museumsleiterin Cornelius mit der Idee heran, dass es doch eine schöne Sache wäre, wenn man ein Museumslädle hätte. In der Winterpause 1996/97 wurde die Schach’sche Ladeneinrichtung in der Gärtringer Scheuer aufgebaut. „Provisorisch“, wie Steffi Cornelius betont. Betrieben wird das 1997 eröffnete Tante-Helene-Lädle – so genannt in Anlehnung an den Begriff Tante-Emma-Laden – von ehrenamtlich tätigen Mitgliedern des Fördervereins.
Zehn Jahre lang war das Lädle nur sonntags und an Feiertagen geöffnet, erfreute sich gleichwohl mit seinem originellen Sortiment und wegen der sehenswerten Ladeneinrichtung bei den Museumsbesuchern großer Beliebtheit. Zum zehnjährigen Bestehen des Lädles kam aus den Reihen des Fördervereins die Anregung, die Öffnungszeiten zu erweitern. Ab 2007 wurde zunächst während der Sommerferien täglich (außer montags, denn da ist das Museum zu) geöffnet. „Das lief gut“, erinnert sich Steffi Cornelius. Also seien zuerst die Osterferien, dann die Pfingstferien und schließlich noch die Herbstferien in die erweiterten Öffnungszeiten mit einbezogen worden. In all diesen Jahren, so Cornelius, sei jedoch allen Beteiligten klar gewesen, dass das Lädle ein Schattendasein führt. „In der Gärtringer Scheuer liegt es abseits. Dort ist es außerdem dunkel, weil es keine Fenster gibt.“
Im Zuge der Planungen für den neuen Museumseingang war daher schnell klar: Das ist auch eine Chance, einen neuen Platz für das Lädle zu finden. Die optisch gelungene Nachbildung der originalen Ladensituation bildet ein willkommenes nostalgisches Element im modern gestalteten Empfangsgebäude. „Ich denke, das haben wir schön gelöst“, freut sich Steffi Cornelius. „Das Lädle ist jetzt an einem attraktiven Ort. Man kann dort auch einkaufen, ohne ins Museum zu gehen.“ Ein oft geäußerter Wunsch.
Das „neue“ Tante-Helene-Lädle stellte die Museumsleiterin und die Betreiber vom Förderverein allerdings vor eine logistische Herausforderung, denn, „es war klar, dass jetzt neue Öffnungszeiten angeboten werden müssen“, sagt so Cornelius. In sieben Monaten Museumssaison an sechs Tagen die Woche geöffnet zu haben, das war mit den 30 bis 35 ehrenamtlichen Mitarbeitern aus den Reihen des Vereins – auch Steffi Cornelius steht in ihrer Freizeit regelmäßig hinterm Ladentisch – nicht zu schaffen. Das Team musste vergrößert werden. Bei der Frage, wie man das bewerkstelligen könnte, suchte Cornelius Rat bei der Volunteersbeauftragten des Landkreises Esslingen, Inge Hafner. Eine gemeinsame Denkwerkstatt mit Freiwilligen wurde eingerichtet. Eine Infoveranstaltung war ein Erfolg. Cornelius: „20 Leute sind gekommen. Wir hatten das Gefühl, das sind genau die richtigen.“
Am 1. Juli dieses Jahres wurden das neue Empfangsgebäude und mit ihm das neu gestaltete Tante-Helene-Lädle eingeweiht. Aktuell sind es 59 Mitarbeiter, die bereitwillig ihre Freizeit für den Dienst hinter Helene Schachs Ladentisch opfern. An Sonn- und Feiertagen sind es immer zwei, die von 11 bis 17.30 Uhr im Laden stehen, unter der Woche wird der Laden täglich außer montags von 12.30 bis 17.30 Uhr von jeweils einem Freiwilligen umgetrieben. Colette Zeh vom Museumsteam betreut die Ehrenamtlichen hauptamtlich und kümmert sich um Einkaufspläne und Rechnungsprüfung.
Das Sortiment im elf Quadratmeter kleinen Lädle ist im Wesentlichen das gleiche geblieben wie zuvor in der Gärtringer Scheuer. Passend zum sympathischen Slogan „Wir haben, was Sie (nicht) suchen“, werden haltbare Lebensmittel von regionalen Anbietern, Praktisches von gestern – zum Beispiel ein Rückeneincremer oder Wurzelbürsten – Süßigkeiten, Holzspielzeug und anderes mehr (auch von den Fördervereinsdamen gehäkelte Topflappen und Ballnetze) angeboten.
Mit dem Geld, das der Förderverein mit dem Lädle erwirtschaftet, fördert er Projekte des Museums. So habe der Verein für das neue Empfangsgebäude 75 000 Euro gegeben; weitere 25 000 Euro aus Vereinsmitteln werden laut Steffi Cornelius in die Gestaltung der Außenanlagen fließen.