Fritz Kerschbaumer ist Elektromeister auf der Baustelle am Boßlertunnel
Einmal Tunnel, immer Tunnel

Sie ist imposant und weithin sichtbar: die Baustelle für den Albaufstiegtunnel bei Aichelberg. 65 Mitarbeiter sorgen derzeit am Fuße der Alb dafür, dass das Projekt voranschreitet. In einer Serie stellt der Teckbote einige von ihnen vor. Heute: Fritz Kerschbaumer aus Kärnten.

Aichelberg. Der Tunnelbau ist für Fritz Kerschbaumer nichts Besonderes mehr. Schon bei vielen solcher Großprojekte war er vor Ort und packte mit an, ob in Monte Carlo, Genua, Bologna, Salzburg oder Innsbruck. Jetzt ist der Elektromeister aus Kärnten am Boßlertunnel bei Aichelberg im Einsatz. Die Baustelle des Albaufstiegtunnels für das Bahnprojekt Stuttgart-Ulm wird in den nächsten Jahren sein Arbeitsplatz sein.

Seit Oktober 2013 ist Fritz Kerschbaumer am Albtrauf tätig. Elf, zwölf Stunden arbeitet er am Tag – etwa die Hälfte in der Werkstatt, die restliche Zeit im Büro. Neun Tage am Stück ist er auf der Baustelle, dann geht es für fünf Tage in die Heimat ins Liesertal in der Nähe des Millstätter Sees. Dort warten seine Frau, seine elf Jahre alte Tochter und sein siebenjähriger Sohn auf den Österreicher. Diese Zeit – er und seine Kollegen nennen sie Abgang – verbringt er in seinem Haus und seiner idyllischen Almhütte, von der er stolz ein Foto auf seinem Smartphone präsentiert. Außerdem hilft er in der Landwirtschaft seines Bruders mit; und natürlich unternimmt er viel mit seiner Familie. Seine Frau und die Kinder „jammern schon ab und zu“, wenn er dann wieder zur Arbeit fährt, erzählt der 44-Jährige. Doch sein Zigeunerleben, wie er sagt, will er nicht mehr missen. „Ich glaube nicht, dass ich jemals noch etwas anderes machen werde. „Einmal Tunnelbau – immer Tunnelbau“, sagt er und grinst.

Natürlich spiele auch das Geld eine gewisse Rolle, gibt er unumwunden zu. Vor 20 Jahren habe man in seiner Branche zwar noch besser verdient; dennoch sei der Job lukrativ. In seiner Heimat habe es damals auch schlichtweg nicht viele andere Möglichkeiten gegeben. „Wir sind eine Tourismusgegend.“ Wenn er hier hätte bleiben wollen, „hätte ich Koch oder Kellner lernen müssen“.

So entschied sich Fritz Kerschbaumer also dafür, eine Fachschule für Elektrotechnik zu besuchen. Mit 20  Jahren erhielt er dann das Angebot, zu seiner ersten Tunnelbaustelle nach Monte Carlo zu reisen. Sofort war klar, dass er sich das nicht entgehen lassen würde.

Die Tätigkeit von Fritz Kerschaumer und seinen Kollegen ist von großer Bedeutung – auch am Boßlertunnel. „Der Elektriker ist ein wichtiges Glied in der Kette und trägt viel Verantwortung.“ Momentan stehen für den 44-Jährigen unterschiedliche Vorbereitungsarbeiten an: Es müssen zig Kabel verlegt, Angebote zum Beispiel für Trafostationen eingeholt, ein Baustelleneinrichtungsplan muss erstellt werden und, und, und. Das Herzstück der Baustelle ist die mächtige Tunnelbohrmaschine, mit der die Röhren in den Berg getrieben werden. „Hinter dieser Maschine steckt ein großer technischer Aufwand. Und die Elektriker sind die Ärzte der Technik“, sagt Kerschbaumer. Wenn die Maschine, die derzeit noch zusammengebaut wird, läuft, werden immer wieder Fehler und Probleme auftauchen. Das weiß der Elektromeister aus langjähriger Erfahrung. Dann sind er und seine Kollegen erneut gefragt – ebenso bei der Wartung des 100 Meter langen, überdimensionalen Bohrgeräts mit einem Durchmesser von 11,40 Metern. Die sogenannte Andrehfeier – also der Tag, an dem sich der Bohrkopf am Albtrauf zum ersten Mal dreht – findet übrigens voraussichtlich im November statt.

Was seine Wohnsituation in der Region anbelangt, hatte er Glück, ergänzt Kerschbaumer. Zusammen mit einem Kollegen erhielt er von seinem Arbeitgeber, einer österreichischen Firma, eine Wohnung in Holzmaden gestellt. Im eigens für viele Arbeiter errichteten Wohncontainer in Gruibingen wäre er nicht glücklich gewesen, gibt er zu. „Dort ist es viel zu eng. Ich brauche auch ein bisschen Privatsphäre.“ In Holzmaden sei es sehr schön; und die Vermieterin ist „a ganz a nette Frau“, schwärmt er mit österreichischem Charme.

Ansonsten hat der 44-Jährige aber noch nicht viel von der Umgebung gesehen; die Arbeit lässt keine Zeit für Ausflüge. Doch er bemüht sich, immer wieder Gaststätten in den umliegenden Gemeinden aufzusuchen. So will er Kontakt zu den Menschen vor Ort finden – und auch der Fertigpizza entgehen, die sich die Arbeiter oft in den Ofen schieben. „Man lebt nicht immer gesund auf einer Baustelle“, verrät er.

Verwöhnt wird er dann aber natürlich wieder in der Heimat. Jeden zweiten Mittwoch tritt er die Heimreise an, meist zusammen mit Kollegen. Weil viele der Mitarbeiter aus Österreich kommen, bietet es sich an, Fahrgemeinschaften zu bilden. „Daheim gibt‘s dann Knödel“, erzählt er begeistert, und man nimmt es ihm sofort ab, wenn er mit einem Strahlen sagt: „Da freu i mi.“