„Ich kann den Bewohnern das Essen ganz anders anreichen als die Pflegekräfte. Ich lasse mir Zeit. So kann es schon sein, dass ich eine dreiviertel Stunde im Zimmer sitze und warte, bis sie anfangen zu essen. Ich weiß doch, dass sie was essen wollen. Es ist gut, dass ich Geduld und Zeit mitbringe“, wurde sich Lukas Sigler bewusst.
Diese Aussage nahm Simon Unrath, Leiter des Seniorenzentrums, zum Anlass, um auf Missstände im Pflegesystem aufmerksam zu machen. „Der Gesetzgeber legt uns Schizophrenie auf. Die Betreuungsmitarbeiter dürfen kein Essen anreichen. Dabei ist das eine elementare pflegerische Handlung, und sie würden es gerne machen“, wird er deutlich und sagt weiter: „Sie müssen diese Aufgabe an das Pflegepersonal abgeben, die sowieso schon einen Kopfstand machen, um rumzukommen. Wir sind so froh, dass wir die FSJler haben, die diese wichtige Aufgabe übernehmen.“ Wenn Hinwendung bei der Kontrolle durch die Krankenkassen zum Problem wird - dafür hat er kein Verständnis.
„Das System krankt und ächzt an vielen Stellen“, muss der Einrichtungsleiter feststellen. Mit viel Routine schaffen es die Mitarbeiter, ihr Pensum zu bewältigen, immer mit dem Gedanken im Hinterkopf: Was ist ökonomisch, was ist sinnvoll. „Das hat mit Menschsein aber wenig zu tun. Wenn dann noch eine ganze Branche in der Öffentlichkeit so dargestellt wird, als müsse alles streng kontrolliert, damit keine Missstände passieren, dann nagt das am Selbstwert der Mitarbeiter“, erklärt Simon Unrath. Deshalb muss er stets überlegen, wie er unter solchen Voraussetzungen neues Personal gewinnen kann. „Das ist die Kehrseite der Medaille. Ich frage mich, wie ich meine Einrichtung bei dieser überregulierten Sichtweise organisieren soll. Wir stecken dermaßen unter der Fuchtel. Das wird alles auf dem Rücken der Mitarbeiter ausgetragen - und dann wird man gefragt, warum das Personal so oft krank ist. Das finde ich bedrückend“, sagt Simon Unrath. ih