Dettingen. SPD-Urgestein Hermann Pölkow ist in den vergangenen Wochen im Dettinger Gemeinderat vor allem im Rahmen der Diskussion über den Kindergarten Regenbogen aufgefallen: Der Architekt kämpfte vehement für einen Neubau der Einrichtung – doch ohne Erfolg. Das Gremium beschloss, den Kindergarten an der Hinteren Straße zu sanieren (wir berichteten).
„Der Kindergarten war der Trennungsgrund“, ist sich Pölkow mit Blick auf die Entscheidung seiner ehemaligen Fraktionskollegen sicher, die sich schon im September von ihm losgesagt hatten. Stefanie Stern ließ in der Gemeinderatssitzung am Montagabend die Katze aus dem Sack: „Wir sind jetzt sozusagen fraktionslos.“
Während in der Sitzung nicht weiter auf das brisante Thema eingegangen wurde, erläuterte Stefanie Stern gestern auf Nachfrage die Beweggründe: „Wir sind mit der Art von Hermann Pölkow einfach nicht mehr klargekommen.“ Die Kindergarten-Diskussion habe das Fass zum Überlaufen gebracht. Die Zusammenarbeit sei immer schwieriger geworden. Deshalb sahen sie, Ulrike Schweizer und Dietmar Vogt keinen anderen Weg mehr, als Hermann Pölkow den Rücken zu kehren.
„Jeder darf natürlich seine Meinung haben“, betont Stefanie Stern. „Aber es kommt auf die Art und Weise an, wie man diese Meinung vertritt.“ Pölkow habe die Verwaltung und die Gäste im Ratsrund, zum Beispiel Architekten, des Öfteren verbal angegriffen. „Mir ist klar, dass er eine Ahnung hat und viel weiß, aber man kann sich auch freundlicher äußern“, betont Stefanie Stern.
Das bestätigen Dietmar Vogt und Ulrike Schweizer. „Ich will mich nicht immer bei anderen für ihn entschuldigen müssen. Das muss ich mir nicht antun“, sagt Dietmar Vogt. Deshalb habe er keine andere Möglichkeit gesehen, als die Zusammenarbeit mit Pölkow aufzukündigen. „Er ist jetzt für sich, und wir sind für uns – so einfach ist das!“
„Die Äußerungen von Hermann Pölkow im Gemeinderat waren uns zu restriktiv“, sagt Ulrike Schweizer. Stefanie Stern, Dietmar Vogt und sie selbst hätten ihn mehrmals darum gebeten, sein Verhalten zu überdenken und sich zu ändern. „Aber das hat nichts genutzt.“ Ulrike Schweizer fügt hinzu, dass ihr das Ganze „unendlich leid“ tue, „aber es war von seiner Seite kein Entgegenkommen da.“ Wenn man einer Fraktion angehöre, dann sollte man sich an Absprachen halten und gemeinsame Beschlüsse weiterverfolgen. „Und wir hatten uns in der Fraktion darauf geeinigt, dass wir uns für die Sanierung des Kindergartens Regenbogen aussprechen“, sagt Ulrike Schweizer. „Wenn einer dann ohne Rücksprache ausschert, ist das schon bemerkenswert.“
Hermann Pölkow, der im Dettinger Gemeinderat nun als SPD-Einzelkämpfer agiert, sieht das hingegen ganz anders: Zum einen hätten sich Stefanie Stern, Dietmar Vogt und er in der letzten Fraktionssitzung vor den Sommerferien, bei der Ulrike Schweizer nicht anwesend gewesen sei, darauf geeinigt, für den Neubau des Kindergartens zu stimmen. Und zum anderen hätten ihm die ehemaligen Fraktionskollegen per E-Mail mitgeteilt, dass sie nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten wollen – auf seine Antwort, ob man sich nicht zusammensetzen und darüber reden könne, habe er nie wieder etwas gehört. „Die Trennung wurde beschlossen und nicht besprochen. Das ist sehr enttäuschend.“
Den ehemaligen SPD-Fraktionsmitgliedern sei es schlichtweg aufgestoßen, „dass ich mich in den Gemeinderatssitzungen oft gemeldet habe, was sie nicht getan haben“, sagt Pölkow. Sein Problem sei wohl sein zu großes Engagement, „die anderen repräsentieren eher“.
Der Gemeinderat stelle für ihn aber sozusagen den Aufsichtsrat der Verwaltung dar, betonte Pölkow. „Da muss man auch mal etwas kritisch hinterfragen. Wir Gemeinderäte dürfen nicht nur Ja-Sager sein.“ Wenn man ein Ziel erreichen wolle, dann dürfe man nicht nur Süßholz raspeln, fügt der SPDler hinzu.
Dennoch räumt Pölkow auch Fehler seinerseits ein: „Hin und wieder bereue ich, dass ich vielleicht manchmal aggressiv aufgetreten bin, das ist eigentlich gar nicht meine Natur.“ Ihm gegenüber sei man aber auch nicht zimperlich gewesen, betont er und verweist hier vor allem auf nicht öffentliche Sitzungen des Gemeinderats.
Bürgermeister Rainer Haußmann will sich inhaltlich nicht zu der ganzen Sache äußern. „Ich pflege ein sachlich-professionelles Verhältnis gegenüber allen Gemeinderäten.“ Rein rechtlich sei es zulässig, dass sich Ulrike Schweizer, Stefanie Stern und Dietmar Vogt von der SPD-Fraktion distanzieren – zumal alle drei, im Gegensatz zu Hermann Pölkow, keine Mitglieder der SPD seien, fügt Ulrike Schweizer hinzu.
Der Rathauschef betont, dass es im Dettinger Rat eigentlich keine Fraktionen gebe: „Wir sprechen zwar von Fraktionen, aber wir haben Gruppierungen.“ Und eine Gruppierung könne sich jederzeit aufteilen. Es sei ihm aber nicht bekannt, dass sich eine solche Situation in Dettingen schon einmal ergeben hätte, räumt er ein.
Künftig jedenfalls ändere sich im Gemeinderat nicht viel – nur die Zahl der Wortmeldungen könne steigen. Das wird sich schon in der Sitzung am 14. Januar bemerkbar machen, wenn der Haushalt 2013 beraten wird: Dann wird es neuerdings vier Haushaltsreden geben – von der CDU/Freie Wählervereinigung, der Freien Wählergemeinschaft, der SPD sowie von der Gruppierung um Ulrike Schweizer, Stefanie Stern und Dietmar Vogt.