Kirchheim. Man schreibt das Jahr 2030. Ein Bürger in Kirchheim steht morgens auf, schaltet das Licht, das Radio, die Heizung und die Kaffeemaschine an. Die dafür benötigte Energie stammt ausschließlich aus erneuerbaren Energiequellen. Die Rechnung, die der Bürger später erhält, trägt den Briefkopf der Teckwerke. – So weit die Vision von Felix Denzinger und Ulrich Mach von der Projektgruppe „Teckwerke“, die aus der Kirchheimer Agenda-Gruppe Energie hervorgegangen ist. Diese Gruppe hat ein Konzept zur Energieversorgung in der Region um die Teck erarbeitet.
Anlass dafür ist das bevorstehende Auslaufen der Konzessionsverträge im Jahr 2012, eine „historische Chance“, wie Felix Denzinger betont. Diese Chance will die Arbeitsgruppe nicht verstreichen lassen. Mithilfe von Fachleuten wie dem Stadtwerkeverbund „Kommunalpartner“ haben sich die Mitglieder schlau gemacht im Hinblick auf die Gründung eines eigenen Regionalwerks. Stadtwerke entstehen derzeit vielerorts. Besonderes Kennzeichen der Teckwerke soll die Bürgerbeteiligung sein. Dass die Bürger am Thema Energie ausgesprochen interessiert sind, steht für Felix Denzinger, der auch Geschäftsführer von sechs Bürgersolaranlagen in Kirchheim ist, außer Frage. Die Bürgerbeteiligung stelle ein basisdemokratisches Element dar bei der Entscheidung für eine Energieart, so die Argumentation. Das Konzept sieht die Rechtsform einer Genossenschaft vor, wie sie auch die Albwerke gewählt haben. Die Risiken, betont Mach, seien für beteiligte Kommunen und Bürger begrenzt. Im allerschlimmsten Fall dürfte die Einlage verloren gehen.
Wichtiger als das überschaubare Risiko ist für die Teckwerke-Initiatoren die Fülle an Vorteilen. Durch die Nutzung lokaler erneuerbarer Energien könne man autark in Sachen Energieeinkauf werden. – Allerdings müsste dazu der Verbrauch im Kreis Esslingen noch deutlich gesenkt und die Nutzung erneuerbarer Energien wie Sonne, Wind, Biomasse, aber auch Wasserkraft und Geothermie erheblich ausgebaut werden. Hinzu kommt die Steigerung der lokalen Wertschöpfung der Wirtschaft. Außerdem wird das vorhandene Kapital regional gebunden. Schließlich geht es hier nicht in erster Linie um Profit. „Gewinne aus dem Energiebereich werden nicht durch Aktionäre abgesaugt“, erklären die beiden Teckwerke-Vorreiter.
Am wichtigsten scheint den geistigen Vätern des künftigen Regionalwerks aber der Aspekt, dass der einzelne Bürger Vertrauen zu „seinem“ Werk hat, dort auch mal vorbeischauen kann. „Die Rekommunalisierung ist in vollem Gange“, beschreibt Denzinger, dass es in Sachen Energieversorgung im Ländle längst ein Zurück von Groß zu Klein gibt. Anders betrachtet: Die Agenda-Gruppe erfindet mit dem Projekt Teckwerke das Rad nicht neu.
Ob aus der Vision Realität wird, wird die nahe Zukunft zeigen. Mit fast allen Fraktionen im Kirchheimer Gemeinderat haben bereits Gespräche stattgefunden. Für den 13. Januar ist eine Info-Veranstaltung mit Fachreferenten für Bürgermeister und Bürgervertreter der Umlandgemeinden sowie Kirchheimer Stadträte vorgesehen. Schließlich wollen die Teckwerke möglichst viele „Genossen“ ins Boot holen. Das können durchaus einzelne Bürger sein. Interessierte Bürger können aber auch einfach nur die Energie von den Teckwerken beziehen. Wichtige Partner wären die Stadt sowie die einzelnen Gemeinden.
Der größte finanzielle Aufwand steckt im Netzbetrieb, für dessen Erwerb nach Angaben von Denzinger und Mach ein zweistelliger Millionenbetrag erforderlich ist. „Wer das Netz hat, kann der Grundversorger werden“, erläutern sie. Darauf baut nämlich der zweite wichtige Baustein auf, der Vertrieb von Strom und Gas. Der Strom müsste zumindest anfangs eingekauft werden, etwa bei der Einkaufsgemeinschaft Südweststrom. Dumpingpreise seien da zwar nicht drin, räumen die Agenda-Vertreter ein, wohl aber marktübliche Großhandelspreise. Beim Netzbetrieb seien sogar Renditen von acht Prozent denkbar.
Grundversorger ist derjenige, der 50 Prozent der Kunden an sich gebunden hat. Ein Kunde, der anderweitig gebunden ist, ist eher bereit, zum Grundversorger zu wechseln. Beim Konzept der Teckwerke hat sozusagen der Bürger vor Ort das Netz und interessiert sich daher auch stärker für Energiefragen. „Dies führt zu einer Demokratisierung der Energiewirtschaft“, argumentiert Ulrich Mach.
Jetzt bleibt abzuwarten, ob die Teckwerke-Befürworter auf politischer Ebene erfolgreich die Werbetrommel für ihre Vorhaben rühren können.