Der Mann in der blauen JVA-Kleidung auf der Anklagebank wirkt nervös. Mit weit aufgerissenen Augen wandert sein Blick durch den Gerichtssaal. Die Hände, mit denen er seine Freundin stranguliert haben soll, hat er wie zum Gebet vor sich auf den Tisch gelegt. Aus Eifersucht soll der 38-jährige Iraner eine 66-jährige Sprachlehrerin aus Nürtingen umgebracht haben.
Laut Anklage der Staatsanwaltschaft sollen sich der mutmaßliche Täter und sein Opfer bei einem Sprachkurs für Asylsuchende kennengelernt haben. Beide seien eine intime Beziehung eingegangen. Doch immer wieder sei der Angeklagte eifersüchtig gewesen, habe seiner Partnerin den Kontakt zu anderen Männern untersagt.
Leiche habe Bisswunden gehabt
In der Nacht vom 19. auf den 20. Oktober 2024 sei es in der Wohnung der 66-Jährigen in der Neckarstraße in Nürtingen wieder zum Streit gekommen. Spätestens im Verlauf dieses Streits habe der Angeklagte beschlossen, die Frau zu töten. Laut Staatsanwaltschaft habe der Mann sein Opfer irgendwann zwischen 23.45 und 0.25 Uhr mit beiden Händen stranguliert. Die 66-Jährige sei aufgrund der Gewalteinwirkung am Hals beziehungsweise oberen Brustkorb gestorben. Außerdem habe man an der Leiche Bisswunden an Wange und Unterarm festgestellt.
Den Körper habe der Angeklagte in ein Betttuch gewickelt und an einer Aussichtsplattform am Neckar, zusammen mit Wertgegenständen der Frau, in den Fluss geworfen. Anschließend habe sich der 38-Jährige im Internet darüber informiert, wie die deutsche Polizei bei der Aufklärung von Verbrechen vorgeht.
Die Leiche der Frau fand ein Passant am 20. Oktober in der Nähe der Fischtreppe. Nur wenige Tage später nahmen Beamte den damals 37-jährigen Angeklagten in einer Oberboihinger Flüchtlingsunterkunft fest. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann Mord aus niedrigen Beweggründen vor.
Hat der Angeklagte das Handy der Frau kontrolliert?
Die Eifersucht des Angeklagten schilderte auch ein Freund des Opfers, der am Donnerstag aussagte. Der Zeuge, der ebenfalls als Geflüchteter Hilfe von der ehrenamtlich engagierten 66-Jährigen bekam, habe regelmäßig mit der Frau Kontakt gehabt. Die letzten Textnachrichten, die er von der Frau wenige Tage vor deren Tod erhalten habe, hätten ihn „schockiert“. Sie habe ihn plötzlich gefragt, ob er nicht vorbeikommen wolle, um neben ihr zu schlafen. „Die Nachrichten waren plötzlich so anders. Ich dachte, da stimmt irgendetwas nicht“, so der Mann im Zeugenstand. Eine gemeinsame Freundin habe ihn dann aufgeklärt: Nicht die 66-Jährige selbst habe die Nachrichten geschrieben, sondern deren eifersüchtiger Freund.
Das letzte Telefonat habe er mit der Sprachlehrerin am 4. Oktober geführt. „Aber das wurde plötzlich abgebrochen.“ In einer weiteren Textnachricht habe die 66-Jährige erklärt, warum sie plötzlich auflegen musste: „Weil du so spät angerufen hast, gab es Probleme mit ihm.“ Am Tag, an dem die Frau starb, hätten sie eigentlich noch einmal telefonieren wollen. Stattdessen sei eine Nachricht von ihr gekommen: „Heute geht nicht, rufe dich an.“
Opfer soll „sehr einsam“ gewesen sein
Es sei bereits das zweite Mal gewesen, dass die Sprachlehrerin eine Beziehung mit einem ihrer Schüler eingegangen sei, sagte der Mann. Er selbst habe das immer für einen Fehler gehalten. „Aber sie war sehr einsam und hatte niemanden, keine Familie.“
Während der Aussagen zupfte der Angeklagte immer wieder nervös an seinen Haaren, machte sich hektisch Notizen und tauschte sich mit dem Dolmetscher aus. Als ein Mitarbeiter der Arbeiterwohlfahrt (AWO) über das Wesen des Mannes aussagte, brach der Mann in dem blauen Gefängnisanzug in Tränen aus.
Angeklagter soll „narzisstische Art“ gehabt haben
Der pädagogische Mitarbeiter erzählte von einem Mann, der ihm „von Anfang an unheimlich“ war. „Er war sehr jähzornig und ist immer schnell ausgerastet.“ Er habe „jede Menge Stress“ mit den anderen Bewohnern der Unterkunft in Oberboihingen gehabt und habe sich „immer gleich geschlagen“. Er selbst habe sich von dem Angeklagten ferngehalten, nachdem er gemerkt habe, dass dieser eine „narzisstische Art“ habe. Auch das Opfer habe er persönlich kennengelernt, so der Zeuge. Die Frau beschrieb er als „sehr impulsiven und stressigen Menschen“.
Angeklagter möchte Angaben machen
Der Prozess wird in der kommenden Woche fortgesetzt. Zahlreiche Zeugen sollen noch gehört werden. Wie der Verteidiger des Angeklagten mitteilte, werde auch sein Mandant zu den Vorwürfen am zweiten Verhandlungstag Angaben machen.