Kreis Esslingen. „Ich werde mit ‚Yes‘ abstimmen“, sagt Ute Miko-Reid. Die Kirchheimerin, die seit 30 Jahren in Schottland wohnt und mit einem Schotten verheiratet ist, findet, dass Entscheidungen, die ihre neue Heimat betreffen, auch dort gefällt werden müssen. „Wir haben zwar auch heute schon ein eigenes Parlament und Kontrolle über manche Bereiche, zum Beispiel Gesundheit und Schulwesen. Aber in vielen anderen Bereichen werden die Entscheidungen von der Regierung in London getroffen – oft zum Nachteil von Schottland“, so Ute Miko-Reid.
Die 53-Jährige verbindet mit ihrem „Yes“ noch weitere Hoffnungen. „Ich wünsche mir, dass die Atomwaffen aus Trident abgezogen werden müssen“, sagt Ute Miko-Reid, die mit ihrem Mann nur 35 Kilometer entfernt bei Glasgow wohnt. Die schottische Regierung hat das für den Fall der Unabhängigkeit zugesagt. Außerdem ist Miko-Reid, anders als die aktuelle britische Regierung, eine Befürworterin der Europäischen Union (EU). Und sie ist mit den militärischen Entscheidungen, die in London getroffen werden, nicht einverstanden. „Mein Mann und ich haben gegen den Irak-Krieg demonstriert“, sagt sie.
Ute Miko-Reid hofft, dass ‚Yes Scotland‘ gewinnt, ist aber nicht so optimistisch. „Die britischen Medien berichten leider sehr einseitig und negativ über das Referendum und schreiben eher zugunsten der Kampagne ‚No/Better Together‘“, sagt die ehemalige Kirchheimerin. „Ich befürchte, dass das viele beeinflusst.“
Nina Gerstenberger, die in Kirchheim aufgewachsen ist und seit vielen Jahren auf der Insel lebt, verfolgt die Diskussion mit großer Spannung. Anders als Ute Miko-Reid hofft sie, dass Schottland Teil des Vereinigten Königreichs bleibt. „Ich denke nicht, dass Schottland durch die Unabhängigkeit wirtschaftliche Vorteile hätte“, sagt Nina Gerstenberger, die vor ein paar Monaten von London in die Nähe von Manchester gezogen ist. Ein „Kleinbritannien“ wäre aus ihrer Sicht für den Rest Großbritanniens politisch und wirtschaftlich von Nachteil.
Auch aufgrund ihrer eigenen politischen Einstellung hofft Nina Gerstenberger, dass die Schotten Teil des Königreichs bleiben. „Schottland war schon immer politisch links, die Labour Partei konnte sich also auf das schottische Parlament verlassen. Falls es zu einer Abspaltung kommen sollte, könnte es für Labour nächstes Jahr bei den Parlamentswahlen schwierig werden.“ Sie könne zwar gut nachvollziehen, dass die Schotten mit ihren Yes-Stimmen der Konservativen Partei und Premierminister David Cameron eins auswischen wollten. „Es ist aber der falsche Zeitpunkt“, findet Nina Gerstenberger. „Sie sollten ihm die Klatsche lieber bei den Wahlen im nächsten Frühling verpassen.“ Spannend wird es auf jeden Fall, da ist sich die Kirchheimerin sicher. „Es wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Ich denke und hoffe aber, dass die Abstimmung knapp mit ‚Nein‘ ausgeht.“
Andrew Summers ist im schottischen St. Andrews geboren, lebt aber seit 1983 in Deutschland. Abstimmen darf der 53-Jährige, der sich immer noch als Schotte fühlt, nicht. Nur wer einen Wohnsitz in Schottland hat, darf über die Zukunft des Landes entscheiden. „Im Moment würde ich für ‚Ja‘ stimmen“, sagt Andrew Summers. Im Moment deshalb, weil er kürzlich beim EM-Qualifikationsspiel Deutschland-Schottland in Dortmund gewesen ist und sich dort von der Atmosphäre hat anstecken lassen. „Das war eine Wahnsinnsstimmung. 90 Prozent der Fußballfans waren für ‚Yes‘, das stand auf jeder Fahne“, schwärmt er.
Andrew Summers glaubt, dass Schottland auch als unabhängiger Staat funktionieren könnte. „Wir haben genügend Öl und Gas“, sagt er. Auf jeden Fall ist er dafür, in der EU zu bleiben. Allerdings ist der Schotte nicht hundertprozentig von ‚Yes‘ überzeugt. „60 Prozent von mir sind für die Unabhängigkeit, 40 Prozent dagegen“, sagt Andrew Summers. Der Grund für seine Zweifel: „Momentan ist nicht der richtige Zeitpunkt für die Unabhängigkeit, man sollte zusammenhalten.“ Seiner Mutter, die noch in Schottland lebt, spricht er damit wohl aus der Seele: Sie wird am Donnerstag mit ‚No‘ abstimmen.