Nürtingen/Stuttgart. Am gestrigen dritten und vorletzten Prozesstag vor der 19. Großen Strafkammer hatte der psychiatrische Gutachter, den die Richter zur Frage der Schuldfähigkeit des 46-Jährigen eingeschaltet hatten, das Wort. Er hatte zwar versucht, den Angeklagten zu dieser Frage zu untersuchen, was seiner Meinung nach aber nicht so recht gelungen sei. Der 46-Jährige habe sich zum Beispiel geweigert, dem Gutachter Einsicht in seine Krankenakten zu gewähren. Selbst seinem Verteidiger hatte er dies nicht erlaubt. Daher sei die Begutachtung äußerst schwierig gewesen.
Unter dem Strich jedoch kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass der Angeklagte zumindest zu den ihm vorgeworfenen Tatzeiten 2004 bis 2012, als er seine Ehefrau, die beiden Töchter und den zehnjährigen Sohn mit zahlreichen Schlägen, Tritten und Beleidigungen bedacht habe, nicht an einer Art Affekt-Psychose litt. In einer ersten Bemerkung des Arztes der Stuttgarter Justizvollzugsanstalt, in die der Mann nach seiner Festnahme eingeliefert wurde, taucht zwar noch der Begriff „Chronische Psychose“ auf. Das aber, so der gestrige Gutachter, sei nicht so ernst zu nehmen. Der Angeklagte sei zwar eine „narzisstische Persönlichkeit“ und habe damit seine ganze Familie dominiert und kontrolliert bis hin zu den Misshandlungen, was aber im Sinne einer erheblich eingeschränkten Schuldfähigkeit keinen Einfluss habe. Gleichzeitig jedoch regt der Sachverständige eine langjährige Therapie bei dem Angeklagten an, um diese „Persönlichkeits-Defizite“ zu behandeln. Dennoch treffe nach diesem Gutachten den Mann die volle Härte des Gesetzes.
Und dass dies so sein muss, darauf pochte gestern auch die Staatsanwältin, die dem Beschuldigten in ihrem Plädoyer die mehrfache Misshandlung Schutzbefohlener, Körperverletzung und vorsätzliche Körperverletzung vorwirft. Sie beantragte Einzelstrafen von insgesamt acht Jahren und acht Monaten, die eng zusammengezogen eine Freiheitsstrafe in der Höhe von dreieinhalb Jahren ergeben. Die Anklägerin betonte, dass der Mann zwar pauschal eine Art Geständnis abgegeben habe, sich aber weigerte, Einzelheiten der Vorwürfe zu schildern. Dies müsse strafschärfend berücksichtigt werden. Schließlich habe der Mann beim Zuschlagen vor allem gegen die beiden Töchter wahllos alle Körperregionen misshandelt und bei den Opfern erhebliche Folgen und sogar bleibende Schäden verursacht.
Nach dem Plädoyer des Verteidigers ist für kommenden Montag die Urteilsverkündung vorgesehen.