Kirchheim. Gäbe es Spätsommervormittage wie diesen nicht, man müsste sie inszenieren. Die Sonne schickt goldene Strahlen aus dem strahlend blauen Himmel über Kirchheim. Der leichte Wind trägt festliche und federleichte Flötentöne aus dem Saal im Vogthaus auf den kopfsteingepflasterten Platz vor dem fast 400 Jahre alten Gemäuer. Angeregtes Murmeln, leises Klingen von Gläsern und gedämpftes Lachen sind zu hören. Inmitten vieler Menschen steht eine weißhaarige Dame im lindgrünen Leinenkostüm, die wachen und klugen Augen ruhig und konzentriert, die Haltung kerzengerade und entspannt, um die Lippen oft ein freundliches Lächeln, wenn sie wieder einmal mit einem fröhlichen „Du“ und einer herzlichen Umarmung begrüßt wird.
Wegen dieser Frau sind viele Gäste ins Vogthaus gekommen, ehemalige und aktuelle Mitglieder der Familien-Bildungsstätte, Mitarbeiter, Kursleiter, Vorstände und Weggefährten: Hannelore Gölz, Ehrenvorsitzende der Familien-Bildungsstätte Kirchheim, gerade 80 Jahre alt geworden und immer noch Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Diese Aufmerksamkeit genießt sie – wer würde das nicht? Und trotzdem ist etwas Ruhiges, Gelassenes, Bescheidenes an dieser Frau, die hier mit Musik vom FBS-Flötenensemble und festlichen Reden gefeiert wird. In einem Charakterzug der Geehrten sind sich nämlich alle einig, die zu diesem Anlass warme und persönliche Worte über Hannelore Gölz finden – der Leiter der FBS, Christoph Tangl, die Vorsitzende Christiane Bahlke, die Kirchheimer Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker: Bescheidenheit sei eine der wesentlichen Eigenschaften, die das jahrzehntelange Wirken von Hannelore Gölz für die Kirchheimer Einrichtung auszeichneten. Ihre „analytische wie mitfühlende Art, die Dinge zu sehen“, führe dazu, dass man gerne mit ihr spreche und ihre Meinung ernst nehme, sagte Christoph Tangl und verband seine Lobrede mit einem persönlichen Bekenntnis: „Du bist uns und mir wichtig.“ Das lange Wirken von Hannelore Gölz habe die Familien-Bildungsstätte Kirchheim geprägt und sie zu einer der größten Einrichtungen ihrer Art in Württemberg werden lassen, sagte Oberbürgermeisterin Matt-Heidecker. Und auch Christiane Bahlke brachte ihre Wertschätzung für die Frau, die den Vorsitz so lange Jahre mit so großem Einsatz und Erfolg geführt hatte, deutlich zum Ausdruck.
30 Jahre lang war Hannelore Gölz Vorsitzende der FBS, sie rief den Deutsch-Türkischen Frauentreff ins Leben, war Mitbegründerin sowohl der Landesarbeitsgemeinschaft als auch der Bundesarbeitsgemeinschaft evangelischer Familien-Bildungsstätten und hatte mehrere Jahre im Vorstand beider Verbände Verantwortung übernommen. Aber all dies trägt sie nicht mit großer Attitüde vor sich her, man erfährt es nur aus den Worten von Christoph Tangl. Vermutlich ist es das, was die Größe von Menschen ausmacht, die sich einer Sache von ganzem Herzen verschrieben haben und sie nicht nur mit Hirn, sondern auch mit Herz erfüllen.
Gerade einmal 37 Jahre alt war Hannelore Gölz, als sie im November 1969 mit anderen zusammen den Arbeitskreis evangelischer Eltern in Kirchheim gegründet hatte. „Mütterschule“ hieß die Einrichtung damals noch und hatte ihre Räume im Johannes-Busch-Haus der evangelischen Gemeinde. „Familien-Bildungsstätte“ heißt die Einrichtung seit 1975. Im Vogthaus am Widerholtplatz fand sie 1982 ihr repräsentatives Domizil. Und Christoph Tangl kann Neuigkeiten ankündigen: Die Raumnot der Familien-Bildungsstätte im Eltern-Kind-Bereich habe voraussichtlich bald ein Ende durch neue Räume am Bahnhof.
Der Name Hannelore Gölz ist heute noch im aktuellen Semesterprogramm der Familien-Bildungsstätte zu finden. Im Deutsch-Türkischen Frauentreff, der abwechselnd in der FBS und der Moschee in der Lohmühlegasse stattfindet, engagiert sie sich auch mit 80 Jahren noch und leistet ihren ganz persönlichen Beitrag dazu, dass Integration in Kirchheim funktioniert.