Der Kabarettist Gernot Voltz gastierte im Club Bastion in Kirchheim
Finanzbeamter attackiert Zwerchfell

Kirchheim. Jetzt mal im Ernst: Was ist eigentlich los in diesem Land? Nach der Plagiatsaffäre entgleist wahlkämpferisch Zug um Zug unser Ministerpräsident. Und jetzt ist 


da auch noch ein völlig durchgeknallter Finanzbeamter: Gernot Voltz alias Herr Heuser, den Finanzminister Schäuble mit dem Kabarettprogramm „Wenn die Konten Trauer tragen“ auf Werbetour schickt, um für Nachwuchskräfte für die Finanzämter zu sorgen. Da haut‘s dem braven Steuerzahler doch das Blech weg - nebst Lohnsteuerkarte.

Andererseits braucht das Land Finanzbeamte, die die Kilometerpauschale zu Fuß nachmessen und Gesetzestexte singen. Vor allem schafft es Oberamtsrat Heuser tatsächlich, die Menschen für das größte Werk deutscher Schöpfungskraft, das Steuersys­tem, gnadenlos zu begeistern. Unter seiner biederen Oberfläche - er trägt Pepitahut, Hosenträger und eine knallbunte, viel zu kurze Krawatte - brodelt es gewaltig. Er wird ganz hibbelig angesichts der dringendsten fiskalischen Probleme, die es zu bearbeiten gilt: Kann ein Bademeister den Bestseller „Feuchtgebiete“ als Fachliteratur absetzen? Unter welchen Umständen kann ein türkischer Mitbürger die Jogginghose als Wohngeld beantragen? Oder müssen multiple Persönlichkeiten mehrere Steuererklärungen abgeben?

Ganz närrisch wird der Steuerbeamte aus Leidenschaft, wenn es um sein Hobby geht: Quittungen sammeln. Überhaupt kein Verständnis zeigt Herr Heuser hingegen bei zerknüllten Rechnungen und Belegen, die häufig in Tragetaschen eingetütet und schlampig dem Lohnsteuer-Jahresausgleich beigefügt werden. Für diese Fälle steht bei Herrn Heuser ein kleines Bügeleisen parat - denn Ordnung muss sein. Schließlich hat sich der Finanzbeamte schon als Schüler das Millimeterpapier für den Matheunterricht selbst gezeichnet.

Herr Heuser vom Finanzamt hat zwar die Ausstrahlung eines menschgewordenen Radiergummis. Wenn er aber abrockt, wird die nächste Steuererklärung zum überirdischen Top-Event. Da wird der Rolling-Stones-Hit „Paint it black“ kurzerhand zum Steuersong erklärt, schließlich heißt er frei übersetzt „Mach es schwarz“. Zwischendurch erklärt er, weshalb die neue Steuer-ID-Nummer bis zu 20 Jahre nach dem Tod noch gültig sein kann: „Es gab da mal so einen Fall in Jerusalem . . .“, um im nächsten Moment mit einem herzergreifenden Chanson den Niedergang bequemer Feinripp-Herrenunterwäsche Marke Schießer zu betrauern.

Schlag auf Schlag werden dem begeisterten Publikum Paragrafen und Pointen um die Ohren gehauen. Dabei hält sich der Vollblut-Kabarettist Gernot Voltz selten lange bei einem Thema auf. Denn von der Werbungskostenpauschale bis zur bundesrepublikanischen Politik ist es nur ein winziger Schritt. Locker pendelt er zwischen satirischem Wortwitz, Kabarett, Comedy und erquickendem Kalauer hin und her. Er watscht Politiker wie Westerwelle („Aufschrift auf einem Heißluft-Händetrockner auf dem Herren-WC: Sie hören eine Rede von Westerwelle“ )und Rainer Brüderle („Politik ist zwar kein Lernberuf, aber dass so einer gar nichts kann . . .“) nach allen Regeln der Kabarettkunst ab. Die Bundeskanzlerin wird vom Spott des Finanzbeamten Heuser ebenso wenig verschont wie Minis­terpräsident Mappus und Stutt­gart 21. Mappus sagt: „Nirgends steht auf der Neubaustrecke ein Stadtarchiv von Köln. In diesem Sinne, Baden-Württemberger, oben bleiben!“ Gewiss, Herr Heuser, mit Beamten wie Ihnen allemal.