Neidlingen. Bereits auf dem Weg nach Gönningen war Genuss pur angesagt. Sämtliche Farben eines Frühlingswalds vom frischen Hellgrün über kräftiges Grün kündeten von Frühlingserwachen und sorgten für eine entspannte Atmosphäre im Bus. Vor dem Gönninger Rathaus gab es einen festlichen, von Tulpen umrahmten Empfang. Ein Museumsführer begrüßte die Gruppe mit den Worten: „Sie kommen genau zum richtigen Blütenzeitpunkt.“ Spätestens da befiel die Blumenliebhaberinnen ein Kribbeln im grünen Daumen. Zudem hatte die Vorsitzende der Neidlinger Landfrauen, Ulrike Braun, die Ausflügler mit Informationen zur Gönninger Tulpenblüte gut vorbereitet, und mit Fug und Recht konnte man hernach bestätigen: „Das Samenhandelmuseum im Rathaus von Gönningen ist einzigartig auf der Welt.“
Mit professionellen Ausführungen zur Geschichte des Ortes und des Samenhandels in dem heutigen Reutlinger Stadtteil wurde die Gruppe über dessen historische Bedeutung informiert. „So waren etwa 1854 von den rund 2 600 Einwohnern 1 200 in ganz Europa und sogar in Amerika unterwegs, um Blumen- und Gemüsesamen wie auch Blumenzwiebeln zu verkaufen.“ Interessant war auch, vom Reisen zu jener Zeit zu hören. „Jeder Händler hatte seinen Samenstrich, das ist ein Handelsbezirk, in dem er ausschließlich akkreditiert ist“, so der Museumsführer. Bereits im Jahr 1867 reisten 14 Händler durch Amerika. Der Handel wie auch das Hausieren mit allerlei gedörrtem Obst, mit Zwiebeln, Nüssen, Blumen- und Gemüsesamen ließ zwar einige Familien reich werden, bei den meisten Gönningern ging es jedoch um das pure Überleben, und von manch einer Samenreise gab es keine Rückkehr in den Heimatort.
Wegen seiner üppigen und vielfältigen Tulpenblüte auf den Gräbern ist der Gönninger Friedhof etwas ganz Besonderes. Fast erstaunt blicken die Tulpenkelche den Sonnenstrahlen entgegen und erobern mit ihrer Anmut alljährlich die Herzen der Scharen von Besuchern.
Den zweiten Teil des Tages verbrachten die Landfrauen in Tübingen, wo sich bei einer Stadtführung Altes und Bekanntes auffrischen, vertiefen, aber auch Neues auf den abwechslungsreichen Spuren mit einladender Kulisse erkunden ließ. Dem Reiz der Stadt am Neckar, die eine archaische Ausdruckskraft besitzt, deren Strukturen und Menschen Geschichte erzählen, erliegt man immer wieder aufs Neue. Die Bewunderung für – vor allem – „schwäbische Köpfe“, die einst hier wohnten, studierten, lehrten, mit der Landschaft und Lebensart verwurzelt waren, hinterließ inspirierende Eindrücke, die die Tübinger Gastlichkeit unterstrich.
Ohne Zweifel brachte der Tag eine ganze Menge Novitäten. Erstmals überraschte die Neidlingerinnen eine Frau am Buslenkrad, nicht etwa bestimmt durch Frauenquote, sondern auffällig durch Charme, Souveränität und Freundlichkeit. „Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah?“, hieß es dann nach diesen stimmungsvollen Ausflugstag.rr