Pläne, immer wieder Pläne. Alte, neue, wieder verworfene. Die Frage, die über allem steht: Wie lässt sich planen, was nicht planbar ist? Wie lässt sich ausschließen, wovor sich alle fürchten? Dass eine Sporthalle zum Infektionsherd wird. Die Antwort ist einfach: Gar nicht. Wenn am 16. Oktober wie geplant die neue Zweitliga-Saison im Basketball beginnt, dann herrscht nicht nur bei den Knights in Kirchheim eine seltsame Gemengelage aus Vorfreude und gleichzeitiger Furcht.
Seit vielen Wochen tüfteln die Verantwortlichen gemeinsam mit der Stadt, der Liga und Interessenverbänden an einem schlüssigen Hygienekonzept, das ministerielle Vorgaben erfüllen und dennoch dem Sport gerecht werden soll. Ein Marschplan, hinter dem nicht nur viel Arbeit steckt, der von amtlicher Seite auch immer wieder verändert, angepasst und neu interpretiert wird. Eine Arbeit, die gleichermaßen zeitraubend wie nervenaufreibend ist und die unter erschwerten Bedingungen zusätzlich erledigt werden muss. „Wir sind in vielen Bereichen, um die es jetzt geht, keine Experten“, sagt Knights-Geschäftsführer Chris Schmidt. „Dafür gibt es zu wenig konkrete Informationen.“
Der jüngste Kurswechsel fand erst vor wenigen Tagen statt. Da wurde klar: Das Konzept des städtischen Ordnungsamts, das schon beim Sommernachtskino Anwendung fand und auf das man sich geeinigt hatte, lässt sich nach Auffassung des Sozialministeriums nicht einfach in die Halle übertragen. Das Land verlangt größere Sitzabstände, kleinere Gruppen, unterm Strich heißt das: noch weniger Zuschauer. Etwas mehr als 300 Besucher in der Sporthalle Stadtmitte sollen möglich sein. Das entspricht einem Drittel der üblichen Belegung. Die gute Nachricht: Das deckt sich auch ungefähr mit der Zahl der Plätze, die bisher für Dauerkartenbesitzer reserviert waren. Von den treuesten Fans muss zumindest keiner fürchten, leer auszugehen. Auch wenn sich der Wunsch nach dem gewohnten Platz nur selten wird erfüllen lassen. Das bedeutet auch, dass es in dieser Saison kaum Einzeltickets geben wird, beim Auftaktspiel am 17. Oktober gegen Jena sogar erstmals gar keine.
„Der Druck ist enorm. Wir wissen, dass wir in der Verantwortung stehen“, sagt die für den kaufmännischen Bereich verantwortliche Geschäftsführerin Bettina Schmauder. Sie und ihr Kollege wissen: Man steht unter Beobachtung. Das erste Heimspiel wird zur Feuertaufe. Da kann jeder Fehler zum Verhängnis werden. „Wir leisten das Maximum, um eine Veranstaltung zu bieten, die sicher ist und die den Leuten Spaß macht“, sagt Schmauder. Dass das sportliche Aushängeschild der Stadt plötzlich am Pranger stehen könnte, sollte doch etwas schiefgehen, ist eine Sorge, die bei allen wächst. Es sei zu beobachten, dass in der Öffentlichkeit verstärkt nach Fehlern und Schuldigen gesucht werde, stellt Schmidt fest. „Das ist eine Entwicklung, die uns sehr beunruhigt.“
Liga tagt am Wochenende
Der Kampf zwischen reglementiertem Betrieb und existenzbedrohendem Stillstand ist ein Kraftakt. Was geschieht, wenn die Infektionszahlen weiter steigen, wenn Länder engere Schranken setzen und auch der Sport die ersten Hotspots liefert, darüber diskutieren die Delegierten auf der Liga-Tagung am Wochenende in Quakenbrück. Längst ist klar, dass unterschiedliche Kurse in den Ländern und unterschiedliche Hilfsprogramme den Wettbewerb schon jetzt beeinflussen, auch wenn keiner offen darüber reden will. Bereits im Juli hat die Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern angekündigt, rund zwei Millionen Euro als Nothilfe für Spitzenklubs im Fußball, Basketball oder Volleyball zur Verfügung zu stellen. Demnach sollen allein die Rostock Seawolves, Gegner der Knights in der Pro A, die sich trotz sechsstelliger Einnahmeverluste einen der teuersten Kader der Liga und mit Dirk Bauermann den ehemaligen Nationaltrainer als Headcoach leisten, eine halbe Million Euro an Unterstützung erhalten haben. Eine Summe, die knapp dem entspricht, was die Knights an Gesamtetat in dieser Saison zur Verfügung haben.
Gleichzeitig richtet sich das Hilfsprogramm der Bundesregierung für den Spitzensport an den Verlusten beim Ticketverkauf aus. Die stellen an einem Standort wie Kirchheim allerdings den geringsten Teil der Einnahmen dar. „Wir sind zu 85 Prozent auf Sponsorengelder angewiesen“, sagt Bettina Schmauder, die mit maximal 20 000 Euro an Unterstützung rechnet. „Wenn’s gut läuft.“ Geld, das größtenteils bereits durch Kosten für das Hygienekonzept und den Wegfall des Caterings wieder aufgefressen würde.
Gleichzeitig gilt es, die Zukunft im Blick zu behalten. Weil die Unterstützung durch die Profis im Nachwuchstraining und in Schul-AGs coronabedingt wegfällt, müssen zusätzliche Kräfte finanziert werden. Auch wenn die Liga ihre Auflagen lockert: Aussetzen, was in Jahren mühsam erkämpft wurde, ist für viele Klubs gerade im Nachwuchsbereich keine Alternative. „Die Jugend ist unsere Zukunft“, sagt Bettina Schmauder. „Wir müssen über Corona hinausblicken.“