Die Städtische Galerie im Kornhaus zeigt HAP Grieshabers Zyklus „Totentanz von Basel“
Freudige Hommage an das Dasein

Kirchheim. Das künstlerische Schaffen HAP Grieshabers erfreut sich einer ungebrochen regen Würdigung. Im Gegensatz zu Ausstellungskonzepten, die sich seinem 


Florian Stegmaier

umfangreichen Werk eher schlaglichtartig nähern, ist nun in der Städtischen Galerie im Kornhaus mit dem „Totentanz von Basel“ eine seiner zentralsten Arbeiten in ihrer selten gezeigten zyklischen Vollständigkeit zu sehen.

Eine Folge von 40 handabgezogenen Farbholzschnitten aus Kirchheimer Privatbesitz, mit der Grieshaber nicht allein auf das spätmittelalterliche Vorbild des Basler Dominikanerklosters Bezug nahm, sondern auch wenige Jahre nach dem Bau der Berliner Mauer ein bemerkenswertes Kapitel deutsch-deutscher Beziehung schreiben sollte.

Dr. Ralf Gottschlich vom Städtischen Museum Spendhaus Reutlingen skizzierte den zahlreichen Vernissagegästen die Hintergründe: Rudolf Mayer (1928–2008), gebürtiger Stuttgarter und seit Anfang der 50er-Jahre als Lektor beim Dresdener VEB Verlag der Kunst tätig, bat Grieshaber, sich an der Internationalen Buchkunstausstellung 1965 in Leipzig zu beteiligen, was der westdeutsche Künstler mit seinem „Osterritt“ und dem Buch „Nicolaus Hendrik Werkman“ auch tat.

Wenige Monate später machte Mayer den Vorschlag, im Verlag der Kunst ein illustriertes Buch zu veröffentlichen. Grieshabers Antwort: „Sicher machen wir ein Buch zusammen – Arbeit ist der beste Weg zur Freiheit und Brüderlichkeit. In Basel fand ich den „Totentanz“. Vom Papst bis zum Maler ein guter Querschnitt, der ins Fleisch (Holz) schneidet.“

Rasch wurde das gewaltige Vorhaben – teils in parallelen Arbeitsschritten – mit enormem logistischem Aufwand zwischen Reutlingen, Dresden und Leipzig umgesetzt. Dies war nicht nur Termingründen geschuldet – der Totentanz sollte zur Leipziger Herbstmesse 1966 vorliegen – sondern entsprach auch Grieshabers Grundeinstellung: sein Werk sollte weder der einen noch der anderen Seite Deutschlands vorbehalten sein, vielmehr in beiden deutschen Staaten Präsenz und Wirkung zeitigen.

Wie Ralf Gottschlich ebenfalls darlegte, ließ sich Grieshaber durch die thematische Vorgabe weder in seiner Formensprache noch in seinen Farbkompositionen einengen. Alle drei Grundtechniken des Holzschnittes kamen in vielfältigen Kombinationen zur Anwendung. Farblich reicht die Palette von einem sich kaum vom Papierton abhebenden Chamois über verschiedenste Pastell- und Volltöne bis hin zum vereinzelt eingesetzten klassischen Druckerschwarz.

Wenngleich Grieshaber seine Idee, den Totentanz inhaltlich zu aktualisieren und Vertreter zeitgenössischer Berufe aufzunehmen, nicht in die Tat umsetzte, finden sich doch zahlreiche Modernisierungen. So sind Jurist, Ratsherr, Doktor, Kaufmann und Krämer als Ständevertreter, die auch im 20. Jahrhundert in der gesellschaftlichen Mitte präsent waren, in Kleidung und Ambiente dem Spätmittelalter entrückt und mit zeitgenössischen Attributen versehen.

Die Moral der Vergänglichkeit aller Menschen – ungeachtet ihrer Herkunft, Ethik oder Weltanschauung – ist zeitlos gültig. Dennoch ist es einer der herausragendsten Aspekte des Grieshaberschen Totentanzes, dass er trotz seiner ernsthaften Grundierung eine humorvolle, lebenspralle Farbigkeit aufblühen lässt, die ebenso als freudige Hommage an das Dasein gedeutet werden kann.

Der Zyklus „Totentanz von Basel“ von HAP Grieshaber ist bis einschließlich 26. Mai im ersten Obergeschoss der Städtischen Galerie im Kornhaus zu sehen. Die Ausstellung wird von einem künstlerischen Rahmenprogramm begleitet, das Sopranistin Sarah Maria Sun und Gitarrist Friedemann Wuttke am Sonntag, 7.  April, um 19.30 Uhr unter dem Motto „Come Heavy Sleep“ mit Musik von John Dowland eröffnen werden.

Werken des italienischen und französischen Barock wird die Soirée mit Bernhard Moosbauer (Barockvioline und Rezitation) und Jens Wollenschläger (Cembalo) gewidmet sein, die am Mittwoch, 17. April, um 19.30 Uhr stattfindet.

Kunsthistorikerin Barbara Honecker hält am Mittwoch, 24. April, um 19.30 Uhr den Vortrag „HAP Grieshaber und sein Basler Totentanz“.