Herzogin Magdalena Sibylla starb am 11. August 1712 – heute vor 300 Jahren – im Kirchheimer Schloss
Fromme Dichterin und kluge Diplomatin

Kirchheim. Am 24. August 1712 setzte sich ein Leichenzug unter dem Geläut der Martinskirche von


Kirchheim in Richtung Stuttgart in Bewegung. Eskortiert wurde der Leichnam unter anderem von Reitern der Stuttgarter Stadtkompanie und zahlreichen Bediensteten des Kirchheimer Schlosses, alle in Trau­erkleidung. Der Leichenzug beglei­tete die Herzoginwitwe Magdalena Sibylla von Württemberg, die am 11.  August 1712 im Kirchheimer Schloss gestorben war, auf ihrem letzten Weg.

Magdalena Sibylla war am 28. April 1652 in Darmstadt als Tochter des Landgrafen Ludwig VI. von Hessen-Darmstadt und seiner Frau Maria Elisabeth von Holstein-Gottorp auf die Welt gekommen. Nach dem Tod ihrer Mutter lebte sie ab 1665 bei ihrer Tante, Hedwig Eleonora von Schweden, in Stockholm. Hedwig Eleonora, Witwe des schwedischen Königs Karl X. Gustav, war eine fromme lutherische Christin, die Magdalena Sibylla maßgeblich in ihrer christlichen Weltanschauung prägte.

Auf einer Kavaliersreise lernte der damalige Erbprinz und spätere württembergische Herzog Wilhelm Ludwig (1647 bis 1677) Magdalena Sibylla 1672 in Schweden kennen und lieben. Im Gegensatz zu vielen adeligen Ehen in dieser Zeit handelte es sich bei der Verbindung zwischen Magdalena Sibylla und Wilhelm Ludwig um eine tatsächliche Liebesheirat. Am 6. November 1673 heirateten die beiden in Darmstadt. Im Februar 1674 zogen sie mit den damit verbundenen Feierlichkeiten in Stuttgart ein. Vier Kinder hatten die beiden. Das dritte Kind war der spätere Herzog von Württemberg, Eberhard Ludwig (1676 bis 1733).

Während sie mit dem vierten Kind schwanger war, starb Herzog Wilhelm Ludwig, der seit 1674 die Regierung des Herzogtums Württemberg übernommen hatte, bei einem Badeaufenthalt in Hirsau. Anstelle des minderjährigen Erbprinzen Eberhard Ludwig bestellte Kaiser Leopold I. den fünf Jahre jüngeren Bruder von Wilhelm Ludwig, Friedrich Carl von Württemberg-Winnental (1652 bis 1698), zum Administrator und Verwalter des Herzogtums und Obervormund über Eberhard Ludwig. Das jedoch hielt Magdalena Sibylla, die der Kaiser als Mitvormund eingesetzt hatte, nicht davon ab, sich aktiv um die Belange ihrer Kinder und des Landes Württemberg einzusetzen.

Vor allem während des Pfälzischen Erbfolgekriegs, der von 1688 bis 1697 dauerte, verhinderte ihre geschickte Diplomatie die Zerstörung Stuttgarts. Nach der Eroberung der Festung Philippsburg Ende Oktober 1688 drangen französische Truppen in ganz Württemberg ein. Während sich Friedrich Carl mit seiner Frau und den Kindern Magdalena Sibyllas nach Nürnberg in Sicherheit brachte, harrte Herzogin Magdalena Sibylla in Stuttgart aus. Durch ihre Verhandlungen mit den französischen Generälen verhinderte sie, dass die französischen Truppen Stuttgart einäscherten. Das steigerte ihr Ansehen, während die Bürger dem Administrator vorwarfen, dass er sie im Stich gelassen habe.

Weil Friedrich Carl ab 1689 als Militärführer der kaiserlichen Armee kriegsbedingt fern von Stuttgart weilte, leitete Magdalena Sibylla die Geschäfte einer Interimsregierung in Württemberg. Diese hatte Bestand bis Februar 1693, als Magdalena Sibylla beim Kaiser die vorzeitige Volljährigkeitserklärung für ihren Sohn Eberhard Ludwig erwirkte. Auch ab 1693 übte Magdalena Sibylla noch eine Zeit lang erheb­lichen Einfluss auf die Regierungsgeschäfte in Württemberg aus, da ihr Sohn Eberhard Ludwig darin wenig Übung besaß.

Während des Spanischen Erbfolgekriegs ab 1701 weilte Herzog Eberhard Ludwig oft außerhalb des Landes bei den kaiserlichen Truppen. 1707 hatte Württemberg wieder stark unter französischen Invasionstruppen zu leiden. Erneut gelang es der Herzoginwitwe Magdalena Sibylla durch ihre Diplomatie und mittels Zahlung einer hohen Kontributionssumme an den französischen Marschall Villars, Übergriffe durch französische Truppen auf die württembergische Bevölkerung teilweise abzumildern. Kontributionen sind die durch feindliche Invasionstruppen der Bevölkerung auferlegten Abgaben.

Bereits ab 1693 hatte sich Magdalena Sibylla verstärkt nach Kirchheim auf das Schloss zurückgezogen, das neben Stetten im Remstal ihr Witwensitz war. Magdalena Sibylla hatte sich als Dichterin geistlicher Lieder und als Autorin einen Namen gemacht. Religiös orientierte sich Magdalena Sibylla am protestantisch-pietistischen Frömmigkeitsideal. In den „Hoch-Fürstlichen Personalia“, der Gedenkrede anlässlich ihrer Begräbnisfeier aus dem Jahr 1712, wird Herzogin Magdalena Sybilla als Auftraggeberin beeindruckender Bilderzyklen genannt. Die auf Holz gemalten Ölbilder, die ursprünglich in der Kirchheimer Schlosskapelle hingen, bringen das christliche Weltbild Magdalena Sibyllas zum Ausdruck und zeigen Szenen des Alten und Neuen Testaments. Sie sind an den Stil des Barock angelehnt, im pietistisch geprägten Alt-Württemberg eher eine Ausnahme.

Die Jahre auf dem Kirchheimer Schloss waren von zunehmenden Konflikten mit ihrem Sohn Eberhard Ludwig gekennzeichnet, dessen Mätressenverbindung mit Wilhelmine von Grävenitz ab 1706 die an der pietistischen Ethik sich orientierende Fürstin tadelte. Dennoch scheint gegen Ende ihres Lebens bei Eberhard Ludwig die Bereitschaft zur Versöhnung vorhanden gewesen zu sein. So machte er sich vom Hauptquartier der kaiserlichen Rheinarmee aus auf, um seine Mutter kurz vor deren Tod an ihrem Alterswohnsitz zu besuchen, als sie bereits stark an leiblicher Schwäche litt und ihr naher Tod abzusehen war. Kurze Zeit später starb Magdalena Sibylla am 11. August 1712 in Kirchheim.