Die Außenklasse der Bodelschwingh-Schule in Ötlingen ist ein Erfolgsmodell
Ganz normal gemeinsam aufwachsen

In der Ötlinger Eduard-Mörike-Schule gibt es seit drei Jahren eine Außenklasse der Nürtinger Bodelschwingh-Schule. Die Klasse arbeitet eng mit einer der anderen Grundschulklassen zusammen. Für Kinder mit und ohne Behinderung ist es völlig normal, gemeinsam aufzuwachsen.

Andreas Volz

Kirchheim. Catriona Fekete-Nester ist die Elternvertreterin der Klasse 3d. Sie ist wie die anderen Eltern in der Außenklasse begeistert von dem Modell. Aber sie hat auch die Erfahrung gemacht, dass man früh anfangen muss, die Weichen zu stellen, wenn eine solche Kooperation zustande kommen soll: „Wir haben uns schon zwei Jahre im Voraus umgehört.“ In der Eduard-Mörike-Schule hat Catriona Fekete-Nester sofort Gehör gefunden: „Der Rektor hat gleich zurückgerufen und gesagt, er könne sich das vorstellen. Das hat mich sehr beeindruckt, dass von Anfang an die Offenheit da war.“

Auch die Eltern der jetzigen 3a waren offen für die Kooperation mit der Außenklasse, wie die Elternvertreterin Helga Zeck berichtet: „Es gab für uns künftige Erstklässlereltern einen extra Elternabend – ohne die Eltern der Außenklasse.“ Da gab es die Möglichkeit, Ängste anzusprechen, und es seien auch viele Fragen gestellt worden. „Aber“, so erinnert sich Helga Zeck, „wir waren alle dafür, dass wir das machen möchten.“ Nach drei Jahren Erfahrung kann sie nur bestätigen, dass es richtig war, sich darauf einzulassen: „Wenn ich das mit dem vergleiche, was mein älterer Sohn in der Grundschule gelernt hat, dann hinkt meine Tochter nicht hinterher.“

Zwei Schulstunden pro Tag sind für die Kooperation vorgesehen – hauptsächlich im Fächerverbund „MeNuK“ (Mensch, Natur und Kultur), aber auch im Sport. Die fünf Kinder der Außenklasse 3d werden in diesem Fall gemeinsam mit der 3a unterrichtet. Meistens gibt es dabei aber eine interne Aufteilung, weil ja nicht nur zwei Lehrerinnen, sondern auch zwei Klassenzimmer zur Verfügung stehen. Es kommt auch vor, dass in diesen beiden Stunden Jungen und Mädchen getrennt unterrichtet werden. Die übrigen zwei bis drei Schulstunden haben 3a und 3d jeweils im eigenen Klassenverband Unterricht.

Was lernen die Kinder durch die Kooperation zusätzlich zum Unterrichtsstoff? Mechtild Falk, Sonderschullehrerin und seit der ersten Klasse auch Klassenlehrerin der Außenklasse, sagt dazu: „Die Grenzen zwischen Behinderung und Nichtbehinderung sind fließend.“ Ein Junge aus der 3d beispielsweise sei der viertschnellste. „Für die Kinder wird dadurch deutlich: Jeder kann was gut, und jeder kann was nicht so gut.“

Renate Stotz, seit diesem Schuljahr Klassenlehrerin der 3a, sagt zum Vorteil der Zusammenarbeit etwas Grundlegendes: „Ich finde es gut, dass es an vielen Schulen jetzt Sozialpraktika gibt. Aber unsere Schüler brauchen das später eigentlich nicht. Die haben das jetzt schon jeden Tag.“

Das sind Erfahrungen, die beide Mütter teilen. Catriona Fekete-Nester freut sich, dass ihr Sohn von anderen überall mit Namen begrüßt wird: „Er ist nicht mehr so ein komisches Kind mit Behinderung, sondern Sebastian, mit dem sie gemeinsam aufwachsen.“ Das Wort „Behinderung“ mag sie sowieso nicht so sehr. „Das Downsyndrom“, sagt sie, „bedeutet nur, dass er für manche Dinge länger braucht.“ Das hat durchaus auch seine Vorteile: „Unsere Gesellschaft ist so sehr auf Leistung getrimmt. Sebastian bremst das bei uns und bringt uns auf den Boden zurück.“ Wenn sie sich über irgendwas zu sehr aufrege, dann komme ihr Sohn und sage: „Mama, Pause.“ So komme sie ganz schnell „wieder runter“.

Helga Zeck staunt immer wieder über ihre Tochter, wenn diese sich mit einer ihrer Mitschülerinnen im Freibad unterhält: „Wenn das Mädchen spricht, versteht man sie nicht besonders gut. Ich verstehe da oft gar nichts. Aber meine Tochter schon. Die beiden unterhalten sich und spielen miteinander, das ist gar kein Problem.“ Außerdem könne dieses Mädchen besonders gut schwimmen und tauchen: „Sie traut sich auch, ins tiefe Becken zu springen.“ Das ist ein weiteres Beispiel für besondere Stärken, die nichts mit behindert oder nichtbehindert zu tun haben.

Weitere Geschichten, die Helga Zeck erzählt, sind zum einen gar keine Geschichten: „Die Kinder sagen zu Hause gar nichts über die anderen Kinder. Das ist alles ganz normal.“ Es ist sogar von Anfang an so normal gewesen, dass ihre Tochter in der ersten Klasse gefragt hat: „Mama, wann kommen denn die Kinder mit der geistigen Behinderung?“ Helga Zeck hat nur geantwortet: „Die sind doch schon längst da.“

Für alle Kinder ist es wichtig, dass sie voll und ganz zur Eduard-Mörike-Schule gehören. Das betonen Mütter und Lehrerinnen übereinstimmend. Zwar ist die Außenklasse der Bodelschwingh-Schule zugeordnet, aber die Klasse geht dort nur an einem Nachmittag hin, zum Schwimmunterricht. Einer der Schüler sagt deshalb auch nicht „Bodelschwingh-Schule“. Für ihn ist das die „Bodelschwimm-Schule“.

Auch abgesehen vom Schwimmen muss die 3d eine Außenklasse der Bodelschwingh-Schule sein. Renate Stotz sagt: „Es ist wichtig, dass Fachkräfte dabei sind. Und hier stimmt das Verhältnis. Wir arbeiten sehr gut zusammen. Ich alleine würde mich überfordert fühlen.“

Nach drei Jahren ist die Außenklasse also ein Erfolgsmodell – wie viele andere Außenklassen der Bodelschwingh-Schule im Altkreis Nürtingen auch. Für Catriona Fekete-Nester gäbe es deshalb keine bessere Perspektive, als dass die Eduard-Mörike-Schule eine Gemeinschaftsschule wird. Dann nämlich könnte das inklusive Kooperationsmodell bis zum Ende der Schulzeit für die jetzige Klasse 3d weitergehen.