Kirchheim. Mit etwa 160 Kindern und Jugendlichen begann im Lichthof im Kirchheimer Ludwig-Uhland-Gymnasium (LUG) der „Starter-Tag“ eines neuen Projekts: Nach fast 30 Jahren bringen LUG und Musikschule im März 2014 noch einmal das Hippiemusical „Hair“ auf die Stadthallenbühne.
Am ersten Probentag versuchten die Chorleiter, die Anwesenden mit Übungen zunächst zum Aufwachen zu bringen, ihre Körper zu lockern und ihnen die ersten platzierten Töne zu entlocken. Die darauf folgende Bodypercussion verlangte schon koordinatorische Fähigkeiten von Stimme und Händen. Marschieren üben war die nächste Aufgabe. Am Ende des Warm-up erklang der erste Song: „Aquarius“.
Wer kennt sie nicht, die Ohrwürmer „Aquarius“, „Hair“ oder „Let the sunshine in“. Politisch engagiert gegen den Vietnam-Krieg und aufbegehrend gegen das Establishment, so erinnert man sich an das Kult-Musical als Ausdruck seiner Zeit. Neben manchen diskussionsbedürftigen Inhalten geht es aber in der Hauptsache um Frieden und befreiendes Mensch-Sein, begleitet von der hervorragenden Musik von Galt MacDermot.
In der zweiten Tageshälfte des ersten Probentages ging es mit den Älteren, noch immer gut 70 Kandidaten, in Gruppen weiter. Ein Zirkeltraining stand auf dem Plan: Schauspiel, Choreografie und Chor. Monika Wieder, in deren Händen als Theaterpädagogin die Regie liegt, erklärte nicht nur was Multitasking beim Spielen bedeutet, sie ließ es ihre Gruppe auch spüren. Drei Dinge gleichzeitig zu tun, ist nicht leicht. Auf der Bühne werden es wesentlich mehr sein, erklärte sie. Als ähnlich schwierig erwies sich die Aufgabe, auf Knopfdruck aus vollem Hals zu lachen oder wütend zu sein. Ganz erstaunlich war die Variantenvielfalt, welche die Gruppe spontan hervorbrachte.
Anschließend war Improvisation gefragt, als es hieß, in Kleingruppen Standbilder zu Märchensituationen zu entwickeln. Die Darstellung ohne Worte gelang den Jugendlichen auf Anhieb hervorragend.
Der Wechsel in die Chorgruppe stellte sich dagegen fast als Ruhepäuschen heraus. Sitzend oder stehend wurde an einigen Songs gearbeitet. Die mehrstimmigen Chorsätze erforderten allerdings hohe Konzentration. Takt für Takt eroberte man sich die Strophen mit solider Handwerksarbeit – und wurde am Ende mit rhythmischer Präzision, korrekten Einsätzen und einem wunderschönen Vielklang belohnt.
Körperlich anstrengend wurde es an der dritten Station des Zirkels, wo eine Schülerin ihre Choreografie zu dem Lied „Donna“ vermittelte. Paarweise ging es los, und für passionierte Nichttänzer wurden die Posen, der „Step touch“ und der „Kick ball change“ zur Herausforderung. Doch geprobt wurde bis alles haargenau saß. Der erste Arbeitstag endete mit der Bekanntgabe der Besetzung einiger Rollen, für die im März ein Casting stattgefunden hatte. Dann zogen alle erschöpft, aber begeistert, nach Hause.
Ganz schön haarig, so ein großes Projekt. In den vier beteiligten Chören arbeiten vier Chorleiter mit etwa 160 Kindern. Monika Wieder von der Musikschule macht die jungen Sängerinnen und Sänger fürs Schauspiel fit. Musikalisch wird „Hair“ von der Jazz/Rock-Combo am LUG begleitet, die ebenfalls eine Riesenaufgabe übernommen hat. Immerhin stehen knapp 20 Songs auf dem Programm. Die Choreografie verantwortet erstmals eine Schülerin, Bühnenbild und Technik liegen in den Händen der AG-Leiter der entsprechenden Arbeitsgruppen am LUG. Bei Projekt- und Jugendchorleiter Bertram Schattel laufen alle Fäden zusammen. Am LUG steuern David Schmid und Daniel Bucher, unterstützt vom musicalerfahrenen Walter Pech, die Kooperation vonseiten des Gymnasiums. Wie man sieht: Ein großes Team zieht an einem Strang. Organisation heißt das Zauberwort.
Eine haarige Sache ist natürlich auch die Finanzierung solch eines Großprojekts. Vier Kirchheimer Unternehmer haben spontan ihre Unterstützung zugesagt. Die beiden Schulen hoffen auf weitere Sponsoren, schließlich sind mit den drei Aufführungsabenden immense Kosten, man denke auch an Kostüme, Bühnenbild sowie Licht- und Tontechnik, zu schultern. Doch nach dem Erfolg des letzten großen Musical-Projekts „Krach bei Bach“ sind sich die Verantwortlichen einig: Im Sinne der zahlreichen jungen Sänger lohnt sich jeder Einsatz, monetär sowie an Aufmerksamkeit und Zeit. Die Ergebnisse dieser fruchtbaren Kooperationsarbeit können sich sehen lassen. Und die beteiligten Jugendlichen machen enorme Entwicklungen durch. Im Jahr bis zu den Aufführungen werden nicht nur ihre Haare wachsen – auch sie selbst wachsen ein Stückchen an der Herausforderung.sw