Kreis. Supermarktkasse oder Testzentrum statt Biertheke: Im Zuge der Corona-Pandemie verzeichnen die Hotels und Gaststätten im Kreis Esslingen eine dramatische Abwanderung von Fachkräften. Innerhalb des vergangenen Jahres haben im Landkreis rund 1300 Köche, Servicekräfte und Hotelangestellte dem Gastgewerbe den Rücken gekehrt - das ist fast jeder sechste Beschäftigte der Branche, wie die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) unter Berufung auf jüngste Zahlen der Arbeitsagentur mitteilt.
„Viele Menschen schätzen es, nach langen Entbehrungen endlich wieder essen zu gehen oder zu reisen. Aber ausgerechnet in der Sommersaison fehlt einem Großteil der Betriebe schlicht das Personal, um die Gäste bewirten zu können“, sagt Hartmut Zacher, Geschäftsführer der NGG-Region Stuttgart. Für die Lage macht der Gewerkschafter insbesondere die Einkommenseinbußen durch die Kurzarbeit verantwortlich: „Gastro- und Hotel-Beschäftigte arbeiten sowieso meist zu geringen Löhnen. Wenn es dann das deutlich niedrigere Kurzarbeitergeld gibt, wissen viele nicht, wie sie über die Runden kommen sollen.“
Wenn die gut ausgebildeten Fachkräfte in Anwalts- oder Arztpraxen die Büroorganisation übernehmen oder in Supermärkten zwei Euro mehr pro Stunde verdienen als in Hotels und Gaststätten, dürfe es niemanden überraschen, dass sich die Menschen neu orientierten. Wirte und Hoteliers hätten nun die Chance, die Branche neu aufzustellen. Zwar seien viele Firmen nach wie vor schwer durch die Pandemie getroffen. Doch wer künftig überhaupt noch Fachleute gewinnen wolle, müsse jetzt umdenken. Dazu seien Tarifverträge unverzichtbar, unterstreicht Zacher: „Auch Servicekräfte haben ein Recht darauf, vor dem Dienst zu wissen, wann Feierabend ist. Sie haben Anspruch auf eine anständige Bezahlung - unabhängig vom Trinkgeld.“
Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit beschäftigte das Hotel- und Gaststättengewerbe im Landkreis Esslingen zum Jahreswechsel 7013 Menschen. Genau ein Jahr zuvor - vor Ausbruch der Coronavirus-Pandemie - waren es noch 8307. Damit haben innerhalb von zwölf Monaten 16 Prozent der Beschäftigten die Branche verlassen. pm