In der Schusslinie von Kritikern standen beide zuletzt. Ivan Rudez, Coach beim Basketball-Zweitligisten aus Karlsruhe, und sein Kirchheimer Kollege Mauricio Parra trennen drei Plätze in der Tabelle. Rudez hat mit seiner Mannschaft einen Sieg mehr auf dem Konto als die Kirchheimer, aber anders als Parra seit Samstag ein dickes Problem. Nach der deutlichen 65:84-Niederlage beim Tabellenschlusslicht in der Teckstadt, die die Badener wohl auch den direkten Vergleich kosten dürfte, geht Rudez bei den Lions schweren Zeiten entgegen. Die Treueschwüre von Klubchef Danijel Ljubic, der am Sonntag verkündete, man plane auf jeden Fall weiter mit dem Trainer, klangen nach der siebten Karlsruher Niederlage wenig überzeugend.
Mauricio Parra ist zwar weit davon entfernt, sorgenfrei in Richtung Adventszeit zu steuern. Eines Großteils der Probleme, wie sie sein kroatischer Kollege nun mit auf den Weg nimmt, hat sich Parra am Samstag allerdings eindrucksvoll entledigt. Was der erste Erfolg im fünften Spiel vor eigenem Publikum für ihn und die Mannschaft bedeutete, war am Samstagabend kurz vor 21 Uhr trotz ohrenbetäubender Kulisse mit mehr als 1100 Zuschauern kaum zu überhören. Wochenlang angestauter Frust, der sich da in einem kollektiven Jubelschrei entlud.
Zugegeben: Karlsruhe war ein Gegner, der mit reichlich Sand im Getriebe gen Kirchheim rumpelte. Ein Gegner, der zudem am Samstag mehr als eine Hälfte lang ohne seinen Spielmacher Daniel Norl auskommen musste, nachdem dessen schmerzhafte Bekanntschaft mit dem Standkorbsockel die taktischen Pläne seines Trainers früh durchkreuzt hatte. Trotzdem war es beeindruckend, mit welcher Entschlossenheit die Ritter sich diesen Vorteil zunutze machten und spätestens nach der Pause die eigene Verunsicherung ablegten. Eine aggressive Verteidigung, viele erzwungene Ballgewinne, Fastbreaks, die diesmal auch konsequent zu Ende gespielt wurden - auf die neue Gangart, wie sie vor Saisonbeginn angekündigt war, mussten Kirchheims Fans lange warten.
Für den Headcoach ist der zweite Saisonerfolg bei aller Erleichterung nicht viel mehr als die logische Konsequenz aus den zurückliegenden Wochen. Einer konstanten Entwicklung, die mit dem starken Auftritt gegen Jena Fahrt aufnahm, in Nürnberg nach zweimaliger Verlängerung auf brutale Weise unbelohnt blieb und bei der knappen Niederlage gegen Chemnitz ihre Fortsetzung fand. „Es war nicht die Frage, ob wir uns dafür belohnen würden, sondern nur wann“, sagt Parra. Er weiß aber auch: „Nach dem Spiel in Nürnberg wäre es verdammt schwer geworden, die Jungs erneut aufzurichten, wenn es wieder nicht geklappt hätte.“
Die Trauerarbeit blieb ihm diesmal erspart. Vor allem dank einer weiter verbesserten Defensive, die zuletzt schon Topteams wie Jena, Nürnberg oder Chemnitz bis zu 15 Zähler und mehr unter ihrem seitherigen Punkteschnitt hielt. Das verhilft nun auch jenen, die lange verzweifelt einen Weg zu gewohnter Form suchten, zu mehr Sicherheit. Till Pape beispielsweise. Ein Kopfmensch, von dem der Trainer sagt, er folge jetzt wieder mehr seinen Instinkten. Oder Nico Brauner, der sich zum emotionalen Leader entwickelt und für seinen Kampfgeist am Samstag von höchster Stelle ein Sonderlob kassierte. Geduld und ein intaktes Mannschaftsgefüge - das ist das, was die Kirchheimer zurzeit von anderen Krisenteams in der Pro A unterscheidet.
Eine Geduld, die Trainer und Sportliche Leitung auch bei Mitch Hahn aufbringen wollen, der den Nachweis seiner Klasse bisher schuldig bleibt. Der im Sommer als gefährlicher Distanzschütze angeheuerte Forward hatte seine überzeugendsten Auftritte während der Vorbereitung und tut sich nach einer im Training erlittenen Fersenverletzung umso schwerer, Fuß zu fassen. Auch, wenn der Grund dafür auf der Hand liegt: Der Rest der Mannschaft funktioniert von Spiel zu Spiel besser. Am Samstag stand der 24-Jährige nur fünf Minuten auf dem Parkett, blieb dabei wie schon in Nürnberg ohne Bindung zum Spiel. „Seine Zeit wird kommen, davon bin ich fest überzeugt“, nimmt Geschäftsführer Christoph Schmidt seinen Neuzugang in Schutz. „Mitch trainiert herausragend“, sagt er. „An seinen Qualitäten gibt es für uns überhaupt keinen Zweifel.“
Gute Erinnerungen an Karlsruhe
Qualitäten, die man spätestens am Sonntag in Heidelberg brauchen wird. „Das ist ein ganz anderes Kaliber als zurzeit Karlsruhe, das wissen wir“, sagt Schmidt. Vielleicht hilft ja ein Blick zurück, um Mut zu schöpfen. Vergangenen Herbst markierte ein Sieg gegen Karlsruhe die Wende in einer Saison, die mit drei Niederlagen aus den ersten vier Spielen begonnen hatte. Der überzeugende 82:75-Erfolg in der Europahalle war der erste von fünf Kirchheimer Siegen in Folge bis Ende November.