Polizei verzeichnet 2014 deutlich mehr schwere Unfälle – Bereits sechs tote Motorradfahrer im Landkreis
Gefährlicher Sommer für Biker

Für Motorradfahrer gibt es nichts Schöneres, als in der warmen Jahreszeit ihr Zweirad zu satteln. Doch die Freude am Fahren ist nicht immer ungetrübt: Fachleute gehen davon aus, dass das Unfallrisiko für Motorradfahrer gemessen an ihrer Kilometerleistung acht Mal größer ist als für Autofahrer.

Kreis Esslingen. Wenn es tatsächlich kracht, sind Biker viel stärker gefährdet als Autofahrer, die auf besseren Schutz durch Sicherheitsgurt und Airbag vertrauen können. Dieser Sommer scheint für Biker im Kreis Esslingen besonders riskant zu sein: Regelmäßig vermeldet der Polizeibericht schwere Motorradunfälle – zum Glück enden nicht alle so tragisch wie der Frontalzusammenstoß zweier Motorräder auf der L 1150 bei Oberesslingen, bei dem am 5. Juli beide Fahrer ums Leben kamen.

Unfälle wie dieser haben vielen den Eindruck vermittelt, dass Motorradfahrer 2014 noch gefährlicher leben als sonst. Bis Ende Juli hat das Polizeipräsidium Reutlingen, das den Kreis Esslingen betreut, insgesamt rund 270 Motorradunfälle gezählt – etwa 150 im Bereich Esslingen, circa 80 im Kreis Reutlingen und rund 40 in der Tübinger Region. Im Jahr zuvor waren es zusammen in den drei Landkreisen am selben Stichtag rund 230 Motorradunfälle gewesen, was jedoch der schlechten Witterung im Frühjahr 2013 zuzuschreiben war, die weniger Lust aufs Motorradfahren machte. Andrea Kopp, Pressesprecherin des Polizeipräsidiums Reutlingen, mag für 2014 kein endgültiges Urteil formulieren für einen ersten Trend reichen die Daten: „Während sich die Zahlen bis Mai im üblichen Rahmen bewegt haben, waren Juni und Juli 2014 stark belastet.“

Der Langzeitvergleich seit 2010 zeigt bei den Motorradunfällen bislang für 2014 eine Zunahme von rund acht Prozent. Noch mehr Sorge bereitet Kopp ein Trend, der sich auch anderswo in der Republik zeigt: „Auffällig ist die Häufung von Unfällen mit sehr schweren Folgen für die beteiligten Motorradnutzer – insbesondere die Unfälle mit tödlichem Ausgang.“ Deren Zahl liegt schon jetzt höher als in der ganzen Motorradsaison 2013. Bislang wurden im Kreis Esslingen 2014 sechs Motorradfahrer bei Unfällen getötet, fast 40 wurden schwer, etwa 80 leicht verletzt. 52 Prozent aller Motorradunfälle werden von Bikern, 48 Prozent von anderen Verkehrsteilnehmern verursacht.

Fast zwei Drittel aller Motorradunfälle haben ihre Ursachen in falscher Geschwindigkeit. Selbst erfahrene Verkehrspolizisten reiben sich bisweilen verwundert die Augen, wenn manche Biker auf Land- und Kreisstraßen mit bis zu 200 Stundenkilometern unterwegs sind – waghalsige Überholmanöver inklusive. Doch es sind nicht nur die absoluten Höchstgeschwindigkeiten, die Andrea Kopp Sorge bereiten: „Gefährlich ist jede Geschwindigkeit, die nicht an Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnisse sowie die persönlichen Fähigkeiten angepasst ist.“ Dazu gehört auch, dass Biker allzu riskant unterwegs sind, die eigenen Fähigkeiten überschätzen oder Verkehrssituationen falsch beurteilen. Gut ein Viertel aller Motorradunfälle ereignet sich ohne das Zutun anderer Verkehrsteilnehmer. Dagegen lässt sich nur schwer ermitteln, bei welchen Unfällen mangelnde Übung eine Rolle gespielt hat. Vieles deutet jedoch darauf hin, dass das ein erheblicher Risikofaktor ist: Die meisten Motorradunfälle (etwa 30 Prozent) werden von jungen Fahrern zwischen 18 und 25 Jahren verursacht, die wenigsten von den 30- bis 40-Jährigen (etwa 15 Prozent).

Wer sicher Motorrad fahren will, sollte auch bei der Wahl seiner Strecken genau hinschauen: Riskant sind oft jene Routen, die landschaftlich reizvoll, wegen ihrer kurvenreichen Streckenführung attraktiv und deshalb auch entsprechend frequentiert sind – sowohl von bedächtigen als auch von sportlich ambitionierten Motorradfahrern. Besondere Vorsicht ist im Kreis Esslingen auf der Kreisstraße 1247 zwischen Schopfloch und Wiesensteig und auf der Beurener Steige geboten. Das gilt vor allem an Wochenenden, an denen die Polizei die meisten Unfälle verzeichnet – wobei es auch so manchen „schwarzen Freitag“ gibt.

Wenn an Stammtischen über Motorradunfälle diskutiert wird, sind manche mit ihrer Einschätzung rasch bei der Hand: „Die Biker sind an allem schuld.“ Solche Vorurteile mag Andrea Kopp mit Blick auf das tatsächliche Unfallgeschehen im Landkreis Esslingen allerdings nicht stehen lassen: „Das ist eine viel zu pauschale Aussage, die oft auf subjektiven Eindrücken beruht. Wie soll man das messen? Und man würde den vielen Bikern, die nach unseren Beobachtungen sehr vernünftig unterwegs sind, Unrecht tun. Richtig ist eher: Jeder Einzelne, der zu riskant fährt, ist einer zu viel.“ Wobei die Polizeisprecherin diese Einschätzung ausdrücklich auch auf Autofahrer bezieht – nur dass Autos im Gegensatz zu Motorrädern eine Knautschzone und oft auch eine ausgeklügelte Sicherheitsausstattung haben, die Schlimmeres verhindern kann. Deshalb schreibt die Polizeisprecherin allen Bikern ins Stammbuch: „Motorradfahrer gehen ein höheres Risiko ein. Jeder muss sich klar machen, dass er dieses Risiko durch seine eigene Fahrweise entweder minimieren oder potenzieren kann.“