Kirchheim. Mit „Stutz-Flügel an Bassflügelhorn“ war in der Naberner Zehntscheuer ein ganz besonders hochwertiger Leckerbissen vorbereitet worden. Die Nachfrage war dann auch entsprechend groß. Dass ein kochender Musiker und ein musizierender Koch gemeinsam auf der Bühne stehen, kommt schließlich nicht alle Tage vor.
Nachdem dem musikalischen Sternekoch schon attestiert wurde, er schreibe „besser als die meisten Menschen, die mit Schreiben ihr Geld verdienen“, konnte das Publikum davon ausgehen, einer charismatischen Persönlichkeit - und nicht nur einem der vielen inflationär versendeten Fernsehköche - begegnen zu können.
Wenn das dazu kongenial passende musikalische Gegenüber schon mit dem Jazzpreis Baden-Württemberg ausgezeichnet wurde und zu den renommiertesten Pianisten Deutschlands zählt, ist der erhoffte Erfolg des Abends eigentlich schon gesichert. Hier standen nicht zwei um die Publikumsgunst rivalisierende Kontrahenten
, sondern „zwei Brüder im Geiste“ gemeinsam auf der Bühne.
Vincent Klinks nach Patrick Bebelaars erstem fulminantem Solo auf dem Stutz-Flügel formulierter Kommentar, „für einen guten Koch spielt er eigentlich nicht schlecht“ war zweifellos eine Aussage, die nicht nur die gefühlte Obergrenze schwäbischer Überschwänglichkeit erreichte, sondern auch viel über Vincent Klink verriet.
Auch wenn er zuweilen die Zeit der virtuosen Soli seines Partners damit überbrückte, sein Flügelhorn zu „entwässern“, schloss er sich stets dem begeisterten Applaus des Publikums an. Er stand immer wieder auf, um sich vor seinem Kollegen zu verneigen, der ihm musikalischer Mentor und damit weit mehr als nur ein musikalischer Begleiter seiner zur Entspannung vom Küchenstress antrainierten jazzorientierten Flügelhorn-Ambitionen ist.
Der bodenständige und zurecht auch als literarische Größe gefeierte Sternekoch nimmt sich selbst nicht allzu wichtig. Als „Multitalent“ würde er sich selbst sicher nicht bezeichnen, es anderen deshalb aber auch nicht unbedingt per einstweiliger Verfügung untersagen. Als „Fernsehkoch“ will er ebenfalls nicht unbedingt kategorisiert werden, denn das rückt ihn vielleicht doch etwas zu sehr in den Strudel lafernder und lichternder Selbstvermarktungs- und Product Placement-Spiralen, deren Drehungen man ab einem bestimmten Punkt nicht mehr selbst individuell steuern kann.
Der „Sitting Küchen Bull“ - wie Vincent Klink seine „Gepfefferte Erinnerungen eines Kochs“ überschrieben hat - ist viel lieber der selbst bestimmende „Häuptling Eigener Herd“. So taufte er auch die von ihm vor allem deshalb gegründete literarische Reihe, weil aus „seinem“ fremdbestimmten „Kulinarischen Almanach“ das Gedicht einer damaligen Titanic-Autorin ohne Rücksprache einfach verschwunden war.
Vincent Klinks tiefe Verneigung vor Nabern erfolgte, als er noch nicht ahnen konnte, dass er keinen Wein, sondern edlen Birnenbrand bekommt, der ihm „viel lieber“ war. Mit den mitgebrachten Korrekturabzügen seines neuen Buchs, in dem er „Immer dem Bauch nach“ auf kulinarische Reisen gehen wird, wobei er vorwiegend Frankreich und Italien ansteuert, feierte er weltexklusiv und „for Nabern only“ eine Premiere mit Auszügen aus Texten, die es offiziell eigentlich noch gar nicht gibt.
Sehr persönlich hatte sich der Genuss-Gourmet auch schon zu Beginn geöffnet und sich zwischen „Fly to the Moon“ und „Little Darling“ vor dem „Krautsbraten“ verneigt und damit vor einer „Spezialität“, bei der niemand so richtig bereuen müsse, dass er sie nicht kennt. Da seine Mutter nicht „einmal kurz weg“ war, sondern in Spanien beschlossen hatte, nicht mehr zurückzukommen, entwickelte sich Vincent Klinks Vater zu einem leidenschaftlichen Tiefkühler, der für sechs Kinder sorgen und eingefrieren musste. Er drehte Gefrierbrandfleisch und andere Relikte der „kulinarischen Resterampe“ durch den Wolf, überlagerte antik-ranzigen Geschmack beziehungsweise Geruch mit exzessiver Gewürzbehandlung und sorgte so „in gottgefälliger Verwertung“ für „die Wiederauferstehung des Fleisches“.
Genau dieses Rezept machte vielleicht nicht unbedingt Appetit auf mehr, die witzigen, selbstironischen und vor allem auch hintergründig humorvoll aufgeladenen Texte und die jazzige Musik schon.