PRO: Thomas Zapp, Redakteur
Der Mensch gehört sich selbst – ohne Widerspruch. Der Satz der Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock, ist richtig. Denn was Organspende vor allem für die Angehörigen bedeutet, ist vielen gar nicht bewusst. „Wenn ich tot bin, ist es mir doch egal, was mit meinem Körper geschieht“, ist häufig als Argument der Befürworter zu hören. Die Frage ist aber doch, wann jemand als „tot“ gilt. Die vitalen Funktionen müssen ja am Laufen gehalten werden, damit die Organe für den Empfänger noch „brauchbar“ sind.
Dazu gehört die ständige Beobachtung durch die Ärzte. Ohne – Gott sei Dank – die Erfahrung gemacht zu haben: Eine besinnliche Sterbebegleitung scheint unter diesen Umständen schwer vorstellbar. Die Angehörigen lassen einen Menschen zurück, der noch den Eindruck eines Lebenden erweckt.
Damit wir uns richtig verstehen: Dies ist kein Plädoyer gegen die Organspende an sich, sondern für das grundlegende Recht am eigenen Körper, das einem per Geburt zustehen muss. Bei jedem Online-Kauf müssen wir mehrfach unser Einverständnis bestätigen, aber bei so einer grundlegenden, folgenreichen und höchstpersönlichen Entscheidung wird unser Einverständnis vorausgesetzt? Und was ist zum Beispiel mit Menschen aus sogenannten „bildungsfernen“ Schichten, denen das Thema in ihrem Alltag noch nie untergekommen ist?
Die Entscheidung des Bundestags ist daher richtig. Eine Zustimmung zur Organspende darf nicht vorausgesetzt werden. Vielmehr muss gründlicher über das Thema aufgeklärt werden.
CONTRA: Irene Strifler, Redakteurin
Immerhin eine Debatte angeregt habe die Abstimmung über die „doppelte Zustimmungslösung“ in der Bevölkerung, damit trösten sich die Befürworter. Ach ja? Ein schwacher Trost! Der Alltag am Stammtisch, im Verein, am Frühstücks-tisch zeigt: Längst haben andere politische und gesellschaftliche Ereignisse die Abstimmung überholt. Wer nicht betroffen ist, setzt sich sowenig mit dem Tod auseinander wie bisher.
Genau das ist das Problem: Erst wenn das eigene Kind, der eigene Partner verzweifelt um sein Leben ringt und nur eine Organtransplantation Rettung verheißt, kommt beim Einzelnen ein Umdenken in Gang. Reichtum kann man nicht ins Grab nehmen, gesunde Organe nützen dort ebensowenig. Auf der anderen Seite retten sie aber Leben – dieses Wissen mag ein klitzekleines bisschen Trost spenden, wenn der Sohn oder die Tochter nach einen Unfall hirntot ist.
Man kann selbst schneller unter den Hoffenden sein, als man denkt. Die Chance, ein Organ zu benötigen, übersteigt die Gefahr bei Weitem, mit funktionstüchtigen Organen einen Hirntod zu erleiden. „Was Du nicht willst, das man Dir tu‘, das füg auch keinem anderen zu“, stand seinerzeit in vielen Poesiealben. Wenn ich auf ein Organ hoffe, muss ich da nicht auch abzugeben bereit sein? – Wer das anders sieht, darf sich auch bei der doppelten Zustimmungslösung explizit verweigern, ohne Gründe nennen zu müssen.
Die Politik hat zugunsten der Zauderer entschieden, vielleicht auch zugunsten der Wähler, nicht aber zugunsten der verzweifelten Todkranken.