Wer zwischen Erkenbrechtsweiler, Grabenstetten und Hülben wandert, wandelt auf historisch bedeutsamem Grund. Dort befand sich die größte keltische Siedlung Mitteleuropas. Der Dokumentarfilm „Der Heidengraben“ bringt Licht ins Dunkel der Geschichte. Premiere ist am 17. April in Grabenstetten.
Volker Haussmann
Grabenstetten. Die Kelten umweht eine Aura des Geheimnisvollen. Fast alles, was man über sie weiß, musste mühsam dem Erdreich entrissen werden, denn ihre befestigten Städte sind längst verfallen. Da ist im wahrsten Sinne des Wortes Gras drüber gewachsen. Im Wesentlichen gilt das auch für den Heidengraben, eine Befestigungsanlage, die einst auf der Albhochfläche im Dreieck Erkenbrechtsweiler, Grabenstetten und Hülben eine Keltenstadt – der Experte spricht von „Oppidum“ – vor feindlichem Überfall schützen sollte. Allerdings heben sich diese Wälle und Gräben noch deutlich von der Landschaft ab. Das ermöglicht eine Ortsbestimmung.
Der Heidengraben, so viel weiß man heute, bestand aus mehreren Befestigungsanlagen, die ein Riesenareal absicherten. In dessen Innerem, zwischen Hülben und Grabenstetten, befand sich eine ebenfalls mit Mauern und Gräben gesicherte Stadt. Elsachstadt nennen die Historiker dieses Oppidum, nach einem in der Nähe entspringenden Bach. Dort, so wird vermutet, lebten in der Zeit von 120 bis 80 vor Christus mehrere Tausend Kelten.
Deren Spuren geht der Filmemacher Dieter Hagmann nach. Fachmännisch begleitet wurde er unter anderem von Experten wie Achim Lehmkuhl und Dr. Frieder Klein. Hagmann zeigt zunächst, von oben betrachtet, wo die Befestigungsanlagen und das Oppidum gestanden haben und lässt sich von Dr. Klein die baulichen Feinheiten einer Pfostenschlitzmauer – der damals gängigen Bauweise für Befestigungsanlagen – und eines Zangentors erklären. Er begleitet Lehmkuhl bei dessen Gang über frisch gepflügte Äcker, denn durch die landwirtschaftliche Bearbeitung wird immer mal wieder eine Tonscherbe von einer Amphore oder ein anderes Artefakt ans Tageslicht befördert. Lehmkuhl tütet alle Fundstücke säuberlich ein und unterzieht sie einer eingehenden Untersuchung. Im Film wird der Zuschauer Zeuge, wie Lehmkuhl und Hagmann am Computer digitalisierte Scherben an ein digitales Amphorenmodell anpassen.
Amphoren gab’s in Elsachstadt offenbar zuhauf. 20 Liter Wein fassten diese Tongefäße, die, so findet Lehmkuhl im Film durch archäologische Detektivarbeit heraus, aus einem Ort nicht weit von Neapel gekommen sein müssen. Dort wurde auch in vorchristlicher Zeit schon Wein angebaut, und sogar die Keltenfürsten auf der Alb gehörten offenbar zu den regelmäßigen Abnehmern der dortigen Weinbauern.
Neben der Vorstellung weiterer Fundstücke und einem Besuch bei Grabungsarbeiten am Heidengraben lockt der Film mit einem ganz besonderen Schmankerl: Hagmann hat sich an eine Visualisierung der historischen Verhältnisse gewagt. Am Computer generierte Figuren bewegen sich dreidimensional durch virtuelle Festungsanlagen, das Oppidum, wie es vielleicht ausgesehen haben könnte, wird in der Draufsicht gezeigt. Das Auge der Kamera schaut auch in die aus Holz erbauten Häuser und zeigt Menschen bei der täglichen Arbeit.
Gerade mal ein Prozent des Oppidums Heidengraben sei durch Grabungen bereits erforscht worden, sagt Hagmann. „Da fehlen noch Erkenntnisse.“ Das habe zu der Idee geführt, diesen Film zu drehen. Begonnen hat Hagmann damit im Frühsommer 2011. Die Produktionskosten beziffert er auf rund 15 000 Euro, es stecke aber auch „sehr viel ehrenamtliche Arbeit drin“.
Hagmann macht keinen Hehl daraus, dass seine virtuelle Keltenwelt nur auf Annahmen beruht. „Das Stadtbild ist hochspekulativ“, sagt er. Man wisse zum Beispiel nicht, wie die Dächer damals gedeckt waren. Darüber könne man nur Vermutungen anstellen. Die Darstellung der Siedlung sei sehr geschönt, räumt der Filmemacher ein. „Das wird so sicher nicht gewesen sein.“ Der Film sei jedoch entwicklungsfähig.
Bewusst habe er die negativen Geschichten weggelassen. „Die Kelten waren keine friedlichen Zeitgenossen.“ Sie seien bekannt gewesen für ihren Schädelkult. Menschenschädel an den Eingangstoren habe er im Film aber nur angedeutet.
Der „Heidengraben“-Film wird am Mittwoch, 17. April, um 20 Uhr in der Grabenstettener Falkensteinhalle zum ersten Mal vor großem Publikum gezeigt. Weitere öffentliche Vorführungen sind geplant. Ab Ende April ist der Film als DVD erhältlich. Weitere Informationen gibt es im Internet auf der Homepage www.heidengraben-film.de.