Unzugeordnete Artikel
Geistliches WortGlaube ist kein Geschäft

Durch diese Sommertage begleitet mich ein Buch, das mich gleichermaßen beglückt und herausfordert. Ich habe es entdeckt in den Auslagen einer Buchhandlung in Meran, als ich eine Urlaubslektüre suchte. Es heißt „Lügen, die wir uns über Gott erzählen“. Seinen Autoren William Paul Young werden einige von Ihnen durch seinen Roman „Die Hütte“ kennen.

Alle Überschriften der Kapitel seines Buches hat Young als Aussagen über Gott formuliert, die er für nicht wahr hält. Eine heißt „Gott will an erster Stelle stehen“. Schon allein die Überschrift hat mich in meine Zeit als Jugendliche zurückversetzt, in der es mich ernsthaft beschäftigte, dass mir neben Gott, meinem Engagement in der Kirchengemeinde und meinem Glauben auch anderes wichtig war. Und ich fragte mich oft, ob ich Gott mehr liebte als mein Leben, meine Familie, meine Freundinnen und vielleicht auch den Jungen, in den ich gerade sehr verliebt war und der wie ich im Posaunenchor spielte. Wohlgemerkt: Ich ging eher wegen ihm hin als wegen der Musik oder weil ich Gott mit meinem Musizieren die Ehre geben wollte. Es beschäftigte mich, ob ich genug betete und in der Bibel las. Mein schlechtes Gewissen meldete sich oft.

Wenn etwas in meinem Leben nicht gut lief, nahm ich an, das sei wegen meiner falschen Prioritätenliste, was ja umgekehrt bedeutete, dass alles wunderbar laufen müsste, wenn Gott wirklich das Wichtigste in meinem Leben wäre. Aber das stimmte auch nicht. Irgendwie hielt sich Gott nicht an meine Vorgaben. Und das tut er bis heute nicht. Wenn wir ehrlich sind, glauben wir doch auch als Erwachsene oft noch so. Wir nehmen an: Wenn wir genug beten, wenn wir Gott wirklich vertrauen (wie auch immer das aussehen mag), wenn wir Jesus die absolute Priorität in unserem Leben einräumen, wenn wir uns sozial engagieren und gute Menschen sind, dann muss er doch tun, was wir wollen.

Glaube als Tauschgeschäft. Beim Glauben aber geht es nicht um einen Deal, es geht um Liebe, um Vertrauen, um eine innige Beziehung. Und auch wenn wir an Gott glauben und engagierte Kirchenmitglieder oder Pfarrerinnen und Pfarrer sind, wird in unserem Leben vieles anders laufen, als wir es uns wünschen.

Das Buch von Paul Young macht mir an vielen Stellen bewusst, wo ich an Gott nicht glaube, sondern mit ihm handle, wo ich ihm nicht vertraue, sondern ihn kontrollieren möchte. Das wahrzunehmen, tut mir gut. Ich bin wirklich froh, dass ich das Buch gefunden habe. Oder es mich. Vielleicht wäre es ja auch für Sie eine erfrischende und gleichermaßen bereichernde ­Urlaubslektüre.

Ute Stolz

Pfarrerin in Hepsisau und Neidlingen