Morgen ist Volkstrauertag. Da gedenken wir nicht nur der in den Weltkriegen getöteten Menschen, sondern verleihen auch unserer Sehnsucht nach Frieden Ausdruck, ja mahnen den Frieden an. Dankbar, dass wir in unserem Land schon so lange äußeren Frieden genießen dürfen. Wohlwissend aber auch, dass unsere Lebensweise und unser Wohlstand einen hohen Preis haben, den nicht zuletzt die Menschen in den armen Ländern dieser Erde bezahlen müssen. Wohlwissend, was für ein verletzliches Konstrukt der Frieden ist. Und wohlwissend, wie viel Unfrieden es auch bei uns gibt: innerhalb von Familien und Firmen, in Schulklassen und in der Nachbarschaft. Manchmal traue ich meinen Ohren nicht, wenn mir Menschen erzählen, wie sie unter der Boshaftigkeit anderer leiden. Ich frage mich: Wie frustriert, „un-zu-frieden“ und vom Leben enttäuscht muss jemand sein, der seine Genugtuung darin findet, anderen das Leben schwer zu machen? Und vor allem frage ich mich, warum es uns ach so vernünftigen Menschen partout nicht gelingen will, im Frieden miteinander zu leben. Sind es wirklich die paar bösen Streithähne, denen wir so gern die Schuld in die Schuhe schieben? Oder haben auch wir selbst unseren Anteil an unfriedlichen Zuständen in der Nähe und in der Ferne? Ich komme immer mehr zu dem Schluss: Friede fängt tatsächlich im Kleinen an, bei mir und bei dir. Es strahlt nach außen, wie es in uns drin aussieht. Ja, es hat Auswirkungen, wenn ich mit mir selbst nicht im Reinen bin - womöglich sogar weit über mein Umfeld hinaus. Wenn Jesus in der Bergpredigt von der Feindesliebe spricht und an das Doppelgebot der Liebe erinnert, dann erkenne ich da weniger einen moralischen Zeigefinger als vielmehr die Ermutigung, Frieden mit mir selbst zu schließen. Und mir Gottes Frieden schenken zu lassen. Um dann mit einer gelassenen inneren Haltung auf meine Mitmenschen zugehen zu können und Frieden zu wagen.
Christian Lorösch
Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Lindorf und Ötlingen