Augen lügen nicht, sagt ein Sprichwort. Die Augen sind das Fenster zur Seele, sagt ein anderes. Wer einem Menschen also tief in die Augen schaut, der versteht ihn: Schau mir in die Augen und ich sage dir, wer du bist. Aber auch ein Blick sagt manchmal schon mehr als tausend Worte. Das Kind, das fragend zu seinen Eltern aufschaut. Der Blick der Belegschaft auf die Vorgesetzte, wenn eine Entscheidung von ihr abhängt. Der schnelle Blick auf die Uhr, wenn ein Vortrag zu lange dauert. Unsere Augen sagen also viel über uns aus. Ja, auch was man einmal ins Auge gefasst hat, davon lässt man nur noch schwer wieder ab. Und was man nicht sehen möchte, das sieht man nicht. Dann drückt man eben mal ein Auge zu.
David singt in einem seiner Lieder: „Meine Augen sehen stets auf den Herrn.“ Wer stets auf den Herrn sieht, der guckt nicht die ganze Zeit in den Himmel. Sondern er findet Gott überall in dieser Welt. Und so wie wir in die Welt gucken, so guckt die Welt auf uns zurück. Wer in allen Dingen Gott sieht, der kann bei vielen Dingen ein Auge zudrücken. Wer das Gute sucht, wird auch Gutes finden und beim Schlechten gilt das ebenso. Wichtig ist, in welchem Licht wir die Dinge betrachten. Wollen wir das Gute sehen? Wollen wir Gott in der Welt finden?
Dass Augen nicht lügen, gilt also in beide Richtungen. Wir erkennen in den Augen der anderen, was sie ausmacht. Aber unser eigener Blick verrät auch uns selbst. Vielleicht schaffen wir es nie, in allen Dingen etwas Gutes zu sehen, wie es David tut. Aber wir können uns vornehmen, unsere Augen offen zu halten dafür. Und wer weiß: Vielleicht ändert sich dann unsere nächste Begegnung mit der Person, die wir noch nie besonders mochten. Oder unsere nächste Begegnung mit den störenden Kleinigkeiten des Alltags. Dann sehen wir sie mit neuen Augen an. Mit mehr Zuversicht und Wohlwollen. Und ein Anfang, die Welt besser zu sehen, wäre gemacht.
Lars Peinemann
Vikar in der evangelischen Kirchengemeinde Lindorf und Ötlingen