Lokales
Gelebte europäische Freundschaft

Beim Treffen der Partnerstädte in Rambouillet stand der europäische Gedanke ein Wochenende lang im Mittelpunkt. Besonders in schwierigen Zeiten gelte es, den Zusammenhalt in Europa zu fördern, betonten die Redner in Kirchheims Partnerstadt.

Rambouillet. Rund ums Rathaus von Rambouillet spielten sich am Freitag gleich mehrere bedeutende europäische Zeremonien ab: Zum Gedenken an den Elysée-Vertrag, den Bundeskanzler Konrad Adenauer und Charles de Gaulle 1963 im Amtssitz des französischen Staatspräsidenten unterzeichnet hatten, wurde zunächst die Ausstellung „De Gaulle/Adenauer – Wegbereiter deutsch-französischer Freundschaft” eröffnet. Anschließend gab es Ansprachen, Nationalhymnen und das feierliche Hissen der Europaflagge zur Zeremonie des Europatags auf dem Rathausplatz, gefolgt von der feierlichen Bestärkung der Partnerschaft mit Waterloo und der Unterzeichnung der jüngsten Städtepartnerschaft Rambouillets mit der portugiesischen Stadt Torres Novas im Marmorsaal des Schlosses.
Mit dem Elysée-Vertrag hatte 1963 die Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich nach zwei verheerenden Weltkriegen ihren Anfang genommen. Die vermeintliche „Erbfeindschaft” zwischen beiden Völkern ist seither überwunden. Was im Großen begonnen hat, fand rasch seine Fortsetzung in vielen kleineren Partnerschaften wie beispielsweise der Städtepartnerschaft zwischen Kirchheim und Rambouillet, die 1967 unterzeichnet wurde.
Gérard Larcher, Bürgermeister von Rambouillet und zugleich Senator, sprach deshalb auch bei der Ausstellungseröffnung davon, dass es sich nicht nur um eine politische Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich handle, sondern vor allem um eine Freundschaft, die von vielen Menschen gelebt werde und die auf vielen Ebenen funktioniere. Mitbegründet worden sei die Partnerschaft zwischen Kirchheim und Rambouillet bezeichnenderweise von ehemaligen Kriegsteilnehmern und Kriegsgefangenen beider Seiten, was dem Gedanken der Aussöhnung in besonderer Weise entspricht.
Zur gemeinsamen Zeremonie des Europatags mit allen Partnerstädten ging Gérard Larcher noch einmal auf die deutsch-französische Freundschaft ein und erinnerte auf dem Rathausplatz daran, dass hier an historischem Ort gefeiert werde. Schließlich seien die Vorverhandlungen zum späteren Elysée-Vertrag überwiegend im Schloss von Rambouillet geführt worden. Lange Zeit diente dieses Schloss den Präsidenten Frankreichs zum Empfang von Staatsgästen – so eben auch Charles de Gaulle zum Empfang Konrad Adenauers für die entsprechenden Verhandlungen.
Hat das Schloss von Rambouillet also viel mit der deutsch-französischen Freundschaft und somit auch mit der Partnerschaft zwischen Kirchheim und Rambouillet zu tun, so steht es im Fall der Partnerschaft zwischen Rambouillet und Waterloo für eine direkte Verbindung: Keine zwei Wochen nachdem Napoleon 1815 bei Waterloo im heutigen Belgien seine letzte Schlacht verloren hatte, verbrachte er noch einmal eine Nacht im Schloss von Rambouillet. Kurz darauf hieß es für ihn, Abschied von Frankreich zu nehmen und den Seeweg in die Verbannung auf der einsamen Atlantikinsel Sankt Helena anzutreten. Daran erinnerte Gérard Larcher, bevor im Marmorsaal des Schlosses der Partnerschaftsvertrag mit Waterloo zum Jubiläum nach 25 Jahren feierlich erneuert wurde.
In Waterloo hatten vor nahezu 200 Jahren Briten und Deutsche gemeinsam gegen Franzosen gekämpft. Der Europaabgeordnete Philippe Juvin zitierte deshalb am Freitag zur Feier des Europatags den französischen Schriftsteller Victor Hugo, der bereits im 19. Jahrhundert festgestellt haben muss, dass europäische Kriege immer auch Bürgerkriege seien. – Sous-Préfet Marc Chappuis wiederum erinnerte an den Friedensnobelpreis für die Europäische Union und sah darin zugleich eine Mahnung, weiter an Europa und am Frieden zu arbeiten. Auch er dachte dabei im Besonderen an die vielen Städtepartnerschaften, als er feststellte: „Die große Idee von Europa ist nicht so sehr eine Allianz der Regierungen, sondern vielmehr eine Allianz der Herzen.”
Vor der Unterzeichnung der neuen Partnerschaft mit Torres Novas sprach auch Bürgermeister Gérard Larcher von den kommenden Aufgaben innerhalb der Europäischen Union. Die Solidarität sowie die gegenseitige und gemeinsame Verantwortung – das sind für ihn die Antworten Europas auf schwierige Fragen der Gegenwart. Somit gelte für Europa insgesamt die Erkenntnis, die sonst für einzelne Individuen gilt: „Wahre Freunde sind wie Sterne. Sie sind immer da, aber sie zeigen sich erst in der Dunkelheit.”
Kirchheims Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker gratulierte von deutscher Seite aus der französischen Partnerstadt zu ihren insgesamt fünf Partnerschaften – mit Great Yarmouth (England), Kirchheim, Waterloo, Zafra (Spanien) und Torres Novas. Damit sei das verwirklicht, was Charles de Gaulle und Konrad Adenauer vorgehabt hätten: „Europa mit den Menschen zu bauen”. Im Namen Kirchheims sowie Deutschlands konstatierte sie deshalb: „Ich freue mich, dass wir Mitglied dieser Gemeinschaft sein dürfen.” Als vordringlichste Aufgabe sieht sie es an, „ein europäisches Haus der Solidarität zu bauen: ein gemeinsames soziales Europa, wo wir füreinander einstehen”.
Dass es sich in Europa tatsächlich nicht um viele einzelne Nationalkulturen handelt, sondern um eine große gemeinsame europäische Kultur, das bewiesen am Samstag 150 Sängerinnen und Sänger aus sämtlichen Partnerstädten Rambouillets, die gemeinsam in der Kirche Saint-Lubin Werke von Vivaldi, Mozart und Mendelssohn Bartholdy aufführten. Trotz gewisser Verständigungsschwierigkeiten, die beim Sprechen in unterschiedlichen Sprachen auftreten mögen, zeigten die Chöre eindrucksvoll, dass das große gemeinsame Erbe der klassischen Musik in einer Sprache hinterlassen ist, die in jedem Land gesprochen und verstanden wird, und dass die Vertreter vieler verschiedener Völker im großen europäischen Konzert ganz wunderbar miteinander zu harmonieren verstehen. Dieser Gedanke sprang sogar auf alle Zuhörer in der voll besetzten Kirche über, als sie gemeinsam mit den Chormitgliedern noch die Europahymne anstimmten: Beethovens Vertonung von Schillers „Ode an die Freude”.
Mit dieser Hymne endete am späten Samstagabend auch das gemeinsame Galadiner aller Beteiligten aus sechs verschiedenen Ländern. Gemeinsamer Gesang und gemeinsamer Tanz beschlossen somit ein Wochenende der gelebten europäischen Freundschaft.