Wer entscheidet was, wann und warum, und was hat das am Ende für Konsequenzen? „SARS-CoV-2“ ist dabei, auch den Sportbetrieb lahmzulegen, und sorgt vielerorts für ein Kompetenz-Wirrwar. Während inzwischen selbst das Milliardengeschäft Fußball-Champions-League seinen Nimbus verliert, fühlen sich Freizeit- und Amateursportler im Umgang mit dem Coronavirus und seinen Folgen allein gelassen. „Man hat den Eindruck, jeder wurstelt sich irgendwie durch“, sagt Thomas Dieterich, Sprecher des Handballverbands Württemberg (HVW). Im Moment gebe es leider von keiner offiziellen Stelle klare Anweisungen.
Die Handballer sind nur ein Beispiel, wie sich der Sportkalender immer mehr ausdünnt, der Spielbetrieb dem Zufallsprinzip anheimfällt. 39 Spiele sind auf Verbandsebene und in den acht Bezirken am Wochenende abgesagt worden, quer durch alle Altersklassen. Eine Zahl, von der erwartet wird, dass sie bis zum Wochenende drastisch steigt. Mal sind es Kommunen, die die Reißleine ziehen, mal sind es die Vereine selbst, die wegen möglicherweise infizierter Sportler auf Begegnungen verzichten. Zur Stunde brüten Präsidium und Rechtsabteilung im HVW über dem Umgang mit der Krise.
Eines haben die Verbandsverantwortlichen dabei am wenigsten im Griff: das soziale Klima, das durch die Ausnahmesituation offenbar auf eine harte Probe gestellt wird. Jüngstes Beispiel: Das Bezirksliga-Spiel zwischen der HSG Owen/Lenningen und dem Turnerbund aus Neuffen wollte Gastgeber TB am Samstag absagen, nachdem bekannt geworden war, dass zwei Spieler der HSG während der Faschingsferien zum Skifahren in Südtirol waren und zumindest einer davon danach auch vorsorglich nicht zur Arbeit erschien. Seitens des Bezirks bekam die HSG offenbar grünes Licht, zu spielen. Der Verein entschied sich jedoch, die beiden betroffenen Spieler aus der Mannschaft zu nehmen. Befriedet hat dies die Lage nicht. TB-Trainer Jochen Bader sah sich schon vor Spielbeginn in der Neuffener Halle Beschimpfungen von Zuschauern ausgesetzt. Der Coach mit Owener Wurzeln verzichtete daraufhin auf seinen Platz auf der Bank, um - wie er sagt - sich selbst und seine Mannschaft zu schützen. Auch die Gäste wurden nach Spielende offenbar zur Zielscheibe gehässiger Kommentare. Beide Seiten sprechen von einer vergifteten Atmosphäre in der Halle.
Für Thomas Dieterich ist der Fall klar: „Wir haben eine Anweisung an alle Staffelleiter herausgegeben, die besagt, wenn eine Mannschaft nicht spielen will, dann kann sie jederzeit absagen.“ Spieler mit Verdacht auf eine Infektion dürften auf keinen Fall am Spielbetrieb teilnehmen. Die Lösung des Problems kennt allerdings auch Dieterich nicht. „Eine Generalabsage wäre aus Termingründen ganz schwierig“, sagt er. Müsste die Saison verlängert werden, setzte das einen Dominoeffekt in Gang, der bis auf internationale Ebene reichen würde. Ein löchriger Spielplan stellt die Logistiker im Verband freilich genauso vor Probleme. Wie werden abgesagte Spiele behandelt, wann können sie möglicherweise nachgeholt werden, wie ist die rechtliche Situation?
Ein zusätzliches Problem, das die Handballer zurzeit exklusiv haben: Der HVW steht unmittelbar vor einer umfassenden Spielklassen-Reform im Sommer. Dadurch verlaufen die Grenzen zu Auf- und Abstiegszonen völlig anders als gewohnt. Müsste am Saisonende eine Vielzahl von Spielen am grünen Tisch entschieden werden, wäre das Chaos perfekt. „Wir können Entscheidungen nicht ewig schieben“, sagt Thomas Dieterich. „Wir müssen jetzt klären, wie wir die Quali in den Ligen zu einem anderen Zeitpunkt oder in einem anderen Modus hinbekommen.“