Ostfildern. Früher hat er es mit seinem 160 PS starken VW Corrado gerne mal richtig krachen lassen. Doch seit 2001 pflegt Marcel Stick auf der Straße die Langsamkeit. Denn das
behäbige, aber äußerst zugkräftige Alltagsgefährt des Friseurmeisters und Freie-Wähler-Stadtrats aus Ruit wird normalerweise in der Landwirtschaft oder in öffentlichen Bauhöfen eingesetzt. Stick fährt einen Unimog vom Typ U 90 Turbo. Und das aus Leidenschaft. Manche lächeln über den Spleen des 39-Jährigen. Doch das ist ihm egal: „Ich bin nun mal von diesem Virus infiziert. Für mich ist es das Auto schlechthin.“
Möglichst groß, möglichst schwer – diese Art von Fahrzeugen hat es dem wuseligen und gertenschlanken Friseurmeister, der seit 20 Jahren bei der Feuerwehr aktiv ist, schon immer angetan. „Im Fahrtenbuch unseres Feuerwehr-Unimogs stand eigentlich nur mein Name“, erzählt Stick. 1998 hatte er unbedingt den Lkw-Führerschein nachmachen müssen, obwohl er eigentlich keine Verwendung dafür hatte. Sein Onkel war Abteilungsleiter bei Daimler Trucks im türkischen Aksaray. „Da durfte ich schon auf dem Testgelände fahren.“ Wenn Stick davon erzählt, bekommt er leuchtende Augen und holt zum Beweis ein Fotoalbum.
Im Jahr 2000 hatte sich der Ruiter mit seinem Salon in der Kirchheimer Straße selbstständig gemacht. Ein Jahr später entschied er sich für den Kauf eines Unimogs. „Familie und Freunde erklärten mich für bekloppt“, erinnert sich der Familienvater. „Aber ich habe das durchgezogen.“ Als Monate später ein riesiger Tieflader mit dem blaumetallic-farbenen Gefährt vor dem Haus stand, wusste ganz Ruit: Marcel hat seinen Unimog. „Es musste unbedingt ein U 90 Turbo sein, denn die Baureihe lief wenig später aus“, erklärt er. Die speziellen landwirtschaftlichen Funktionen wie eine Seilwinde fehlen seinem Fahrzeug. Aber das 115 PS starke, allradgetriebene Ungetüm ließe sich locker für schwerste Geländetouren, als Lastesel oder im Winter zum Schneeräumen einsetzen.
Nichts dergleichen hat Stick mit seinem Unimog im Sinn. Er nutzt ihn als normales Alltagsauto, beispielsweise um zwischen den drei Friseursalons der Familie zu pendeln. Dass er dabei null Fahrkomfort hat und das Radio richtig laut stellen muss, um einigermaßen Musik hören zu können, stört ihn nicht. Im Gegenteil, genau das mag er: die hoppelnden Reifen, den durchdringenden Dieselsound des 2 900-Kubikzentimeter-Motors, die vielen Gänge, die sich nochmals untersetzen lassen. 12 bis 13 Liter schluckt das Ding im Stadtverkehr. Auf der Autobahn schafft er bis zu 100 Sachen, „aber nur mit Rückenwind und bergab“. Über die stolze Summe, die er sich seinen Traum damals kosten ließ, mag er nicht reden. „Das ist wie mit einem Rolls-Royce. Den kauft man sich nur einmal im Leben.“
Als sie noch nicht verheiratet waren, sind Stick und seine heutige Frau mit dem Unimog sogar in den Urlaub gefahren. Gleich im ersten Jahr ging es über die piemontesischen Alpen bis nach Monaco. „Da standen wir vor dem Spielcasino neben den Edelkarossen. Das war ein Bild für Götter“, beschreibt Marcel Stick die amüsante Situation. 2002 reisten die beiden mit dem Unimog quer durch Irland. „Da sind wir so was von herzlich aufgenommen worden“, schwärmt der 39-Jährige noch heute. Das besondere Fahrzeug war in vielen Fällen wie eine Art Türöffner: „Damit hatten wir immer gleich ein Gesprächsthema.“
Um die 34 000 Kilometer ist Stick in elf Jahren mit seinem Unimog gefahren. Reparaturen? Der 39-Jährige lacht: „Der ist unkaputtbar und wird mich wahrscheinlich überleben.“ Trotzdem muss er demnächst in die Werkstatt. Denn ohne den Einbau eines Rußpartikelfilters erlischt bald seine Ausnahmegenehmigung für das Stuttgarter Stadtgebiet. Das hieße, er käme nicht mehr zu seinen Salons in Riedenberg oder Sillenbuch.