SWR feiert im „Central“ Vorabpremiere einer zwölfteiligen Heimatserie ohne jede Provinzialität
Gesellschaftssatirisches mit viel Biss

In 29 ausgewählten Kinos wird im Südwesten derzeit für „Die Kirche bleibt im Dorf – Die Serie“ geworben. Dass das Kirchheimer „Central“ zu den handverlesenen Premieren-Kinos zählt, ist bemerkenswert. Dass die Fernseh-Serie das Zeug hat, den Erfolg des „Bloggbaschders“ zu toppen, erst recht.

Kirchheim. Das Außergewöhnliche dabei ist, dass nicht die vom Kinofilm bekannte und zuweilen doch etwas zu konstruiert wirkende Geschichte weitererzählt, sondern mit einem filmsprachlich raffiniert umgesetzten Blick zurück in einer zuweilen an die Schmerzgrenze gehenden Schärfe und Unerbittlichkeit erklärt und unterbaut wird. Statt auf oberflächliche und effekthascherische Schnitzereien setzt die bei Ludwigsburg abgedrehte TV-Produktion auf filigran-telegene Scherenschnitte, die Neugierde auf die durchscheinenden Geheimnisse der handelnden Personen wecken.

Margret Schepers, SWR-Redakteurin und Moderatorin des Preview-Abends, erläuterte, dass zunächst die ersten drei Teile der für das SWR-Fernsehen produzierten und ab Montag, 15. April, jeweils um 20.15 Uhr „im Dritten“ gesendeten Staffel, eingespielt und vor Publikum „erprobt“ werden. Die Gelegenheit, den einzigen Nichtschwaben der Produktion kennenzulernen und ihm – auf Hochdeutsch – Fragen zu stellen, wurde bei dem sich anschließenden Gedankenaustausch gerne genutzt.

Schon die ersten Einstellungen hatten die Kino-Besucher für den frei von Allüren agierenden „Stargast“ eingenommen. Rainer Piweks souveränes Spiel als an seiner unmöglichen himmlischen Mission scheiternder „Friedensstifter“ sicherte dem Schauspieler am Ende der drei Pilotfilme spontanen Begrüßungsapplaus des äußerst zufriedenen Publikums.

Der Pfarrer, der weder den Dialekt noch die derbe Sprache, und am wenigsten den „speziellen Humor“ seiner Gemeinde versteht, hat nicht den Hauch einer Chance, den Hass zwischen seinen „Schäfchen“ zu beenden, die sich mit einer Kirche im einen und einem Friedhof im anderen Ortsteil arrangieren müssen, zugleich aber schon über Generationen hinweg gnadenlos verfeindet sind.

Wie schon der bemitleidenswerte Beistand in allen Lebenslagen werden auch alle anderen „ehrenwerten“ Dorfbewohner so gnadenlos durchleuchtet und so heftig und deftig in ihrer scheinheiligen Skrupellosigkeit vorgeführt, dass aus der vermeintlichen Liebeserklärung an die Unschuld des Landlebens immer wieder so bitterböse Gesellschaftssatire hervorblitzt, dass es für etwas empfindsamere Gemüter oft schon gar keine richtige Freude mehr ist. Konsequent umgesetzt wird damit die Erkenntnis „‘s Läba isch koin Schlotzer . . .“

Der virtuos vorgeführte Todeskampf des nicht nur im Nachbardorf sondern auch in der eigenen Familie verhassten – da bauernschlau und sparsam bis geizigen – Ludwig Rossbauer, ist zweifellos eine Grenzerfahrung. Schwarz-Weiß-Sequenzen ermöglichen filmisch kongenial „eingeblendete“ traumatische Einblicke in menschliche Abgründe und erlauben bei aller Grausamkeit doch auch begründetes Schmunzeln.

Der von Rainer Piwek grandios verkörperte „norddeutsche Daggel“ hat als „Paschtor Köschter“ bei „seiner ersten Leich“ das Problem, die verzweifelt versuchte Abrechnung des Sterbenden mit seiner „schrecklich netten Familie“ weder verstehen noch begreifen zu können. Die Gerechtigkeit siegt dann aber doch, denn er darf den „trauernden Hinterbliebenen“ anderntags – unter erneut großen Qualen – das alle innerfamiliäre Niedertracht bloßlegende rechtzeitig geänderte Testament verlesen.

Zur „Begrüßung“ war der neue Pastor von Bürgermeister Häberle laut fluchend vom klapprigen Moped geholt und von seinem Weinberg verjagt worden. Der Geistliche muss schon früh begreifen, dass es tatsächlich völlig unmöglich ist, sonntags für beide sich bekriegenden Ortschaften gemeinsam zu predigen. Dass sein Vorgänger in geistiger Umnachtung in der örtlichen Psychiatrie landete, lässt den neuen geistlichen Führer aber erst einmal selbst zu Marihuana und Mirabellenschnaps greifen.

Verraten wurde in der vielversprechenden Vorschau nicht allzu viel, aber nach bewährtem Serienmuster immer an der spannendsten Stelle abgebrochen. Werden gleich drei Folgen am Stück rezipiert, läuft die Spannungskurve zwar flott durch, dennoch wurde deutlich, dass noch manches Geheimnis ungelüftet blieb und weiterer Rückblenden bedarf.

Mit fast einer halben Million Zuschauern wurde der im August 2012 angelaufene Kinofilm „Die Kirche bleibt im Dorf“ den geweckten Erwartungen einer mit schwäbischer Schauspiel-Prominenz nur so protzenden Besetzungsliste voll gerecht.

Während aber etwa aus der zurecht hoch gelobten und mit dem Grimme-Preis geadelten Vorabendserie „Türkisch für Anfänger“ der meist besuchte Kinofilm des Jahres 2012 wurde, geht die ebenfalls an den Kinokassen durchgestartete auf Mundart und Heimatnähe setzende Schwabensaga den genau umgekehrten Weg. „Die Kirche bleibt im Dorf – Die Serie“ hat berechtigte Chancen, mit eindrucksvollen Bildern, schillernden Charakteren und mitreißenden musikalischen Kontrapunkten eine für Regionalprogramme richtig gute Quote zu machen und vielleicht sogar Kultstatus zu erlangen.

Das heftig schwäbelnde und daher eher auf den Süden zugeschnittene Liebes-, Lust- und Frustspiel könnte ab Montag, 15. April, die SWR-Fernsehgemeinde genauso polarisieren, wie einst „Baby Schimmerlos“ Franz Xaver Groetz mit dem Klassiker „Kir Royal“ die Münchner Schickeria oder John Cleese die Briten mit der sie gnadenlos aufs Korn nehmenden Comedy-Reihe „Faulty Towers“.

Die in der Kinoversion schon ironisch überzeichneten Querelen im ländlichen Schwaben-Idyll haben in der Wohnzimmerversion zweifellos an Schärfe und Prägnanz gewonnen und Betulichkeit mit skrupellosem satirischen Biss vertrieben.

Da sich das nostalgische Lichtspiel-Kleinod Central rechtzeitig mit eindrucksvoller digitaler Bild- und Tonqualität auf allerneuestem Stand präsentieren konnte, war der Schauspieler und Musiker Rainer Piwek des Lobes voll – und das nach einem Start in der Metropole und drei weiteren Tour-Tagen in großen Häusern.

Ein Kassenschlager war der im Central im eher intimen Kreis gefeierte Premierenabend zwar nicht, dafür aber ein seltenes Vergnügen, wie es so wohl nur noch ein hochmodernes „gutes altes Lichtspieltheater“ bieten kann.