Kreis Esslingen. In einer immer älter werdenden Gesellschaft bei Forderungen der Politik an ein höheres Renteneintrittsalter spielt Gesundheitsförderung und -vorsorge eine immer größere Rolle. Damit angesprochen ist vor allem der sogenannte zweite Gesundheitsmarkt, der für die Bevölkerung zunehmend interessanter wird. Medizinische Themen, der Umgang mit Krankheiten, Fitness, Wohlbefinden und richtige Ernährung beschäftigen die Menschen. Dieses Interesse stößt auf ein nahezu unüberschaubares Angebot an Gesundheitsprodukten und Gesundheitsdienstleistungen. Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention werden inzwischen als wichtige Elemente der modernen Gesundheitsversorgung erkannt. Nicht nur zum Nutzen derer, die die Angebote wahrnehmen, sondern auch zum Nutzen der Leistungsanbieter wie etwa der Krankenkassen, die durch Prävention langfristig Kosten einsparen können. Deshalb wird auch der Präsident der Bezirksärztekammer Nordwürttemberg, Dr. med. Klaus Baier, der Frage nachgehen, ob denn die Gesundheitsförderung eine originär ärztliche Aufgabe ist.
„Investitionen in die Prävention lassen sich nicht sofort in Mark und Pfennig ausdrücken, doch es sind Investitionen in die Zukunft“, ist Dr. med. Ernst Bühler, Leiter ärztliches Qualitätsmanagement der Kreiskliniken Esslingen, überzeugt. Der Ansatz der „Gesundheitsstrategie Baden-Württemberg“, die Ministerialdirektor Thomas Halder vom Sozialministerium beim Netzwerkertreffen vorstellen wird, geht in diese Richtung. „Wir wollen daraus eine Gesundheitsoffensive machen“, sagt Dr. Bühler, wobei er die Skepsis mancher seiner Kolleginnen und Kollegen nicht teilt, die meinen, „die Leute machen ja sowieso nicht mit.“
Ein Grund der Ablehnung könnte eng mit der Frage zusammenhängen: „Wer bezahlt die Zeche, wenn nicht der Staat?“ Etwa die Gesundheitskasse AOK? Sie spielt nicht nur den „Payer“, sondern zum Teil auch den „Player“, gerade auf dem zweiten Gesundheitsmarkt. Darauf wird der Vize-Vorstandsvorsitzende der AOK Baden-Württemberg, Dr. Christopher Hermann, morgen in seinem Referat eingehen. Über „Gesundheitspolitik und Wirtschaft“ spricht der Bundestagsabgeordnete Michael Hennrich, CDU, Mitglied des Gesundheitsausschusses im Bundestag. Für ihn stellt der Gesundheitsmarkt nicht nur einen Kostenfaktor, sondern auch eine Wirtschaftskraft dar. Dabei wird Hennrich auch auf die Themen Prävention und zweiter Gesundheitsmarkt, von IGeL-Leistungen bis hin zu Wellnessangeboten, eingehen. Der Bundestagsabgeordnete wird deutlich machen, in welchem Rahmen die gesetzlichen Kassen Krankheitsprävention fördern und ob vom Gesetzgeber darüber hinausgehende Maßnahmen erforderlich sind - etwa ein Präventionsgesetz. Reichen die bisherigen Maßnahmen, oder müssten sich Kindergärten, Schulen und Unternehmen noch stärker engagieren? Dabei verweist Michael Hennrich auf das exzellent funktionierende Modell der Zahnpflege und damit der Zahnvorsorge in den Kindergärten. Dass der Bundestagsabgeordnete dabei auch eine immer älter werdende Gesellschaft im Blick hat, versteht sich von selbst.
Doch wenn ein Präventionsgesetz kommen würde, müsste es auch klar definieren, wer die Leistungen bezahlt. „Denn es gibt auch Menschen, die sich Gesundheit nicht leisten können“, weiß Dr. Ernst Bühler aus Erfahrung. „Was machen wir mit dem Non-Profit-Bereich?“, warnt Dr. Bühler vor einem Mehrklassensystem im Gesundheitswesen.
An die Vorträge schließen sich vier Workshops an, in denen über Möglichkeiten und Chancen dieses zweiten Gesundheitsmarktes diskutiert wird. Der vierte hat die Symbiose von Technik und Dienstleistungen zum Thema, wie zum Beispiel häusliche Notrufsysteme und andere Techniken, die alten Menschen helfen, ein selbstständiges Leben zu Hause führen zu können, zum Thema. „Hier hinken wir hinter den USA, Japan und Skandinavien her“, sagt Ernst Bühler.
Der Leiter ärztliches Qualitätsmanagement der Kreiskliniken ist aufgrund der Anmeldungen zum dritten Netzwerkertreffen überzeugt, „dass das Thema Weiterentwicklung des Gesundheitssystems sehr hochrangig diskutiert wird.“ Als Zielgruppe sprachen die Kreiskliniken und die Bezirksärztekammer Nordwürttemberg nicht nur Vertreter der typischen Gesundheitsberufe, sondern alle an, die an der Erschließung des zweiten Gesundheitsmarktes und der Weiterentwicklung des Gesundheitssystems interessiert sind.