Höherer Hebesatz soll an das Zertifikat als „Mittelstandsorientierte Kommune“ gekoppelt sein
Gewerbesteuer mit Gegenleistung

Eine ungewohnte Beschlussempfehlung für die Gemeinderatssitzung am nächsten Mittwoch hat der Kirchheimer Finanz- und Verwaltungsausschuss abgegeben: Der Gewerbesteuerhebesatz soll bereits ab 2011 um zehn Prozentpunkte angehoben werden.

Gewerbesteuer mit Gegenleistung
Gewerbesteuer mit Gegenleistung

Kirchheim. Nichts wird bekanntlich so heiß gegessen wie es gekocht wird. Aber dass der Gewerbesteuerhebesatz in Kirchheim erstmals seit

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994 wieder angehoben wird, das dürfte so gut wie sicher sein. Wenn der Gemeinderat nächste Woche endgültig darüber entscheidet, dann stellt sich wohl nur noch die Frage, ob die Erhöhung tatsächlich bereits für 2011 erfolgt oder doch erst für 2012 – also für das zweite Jahr des kommenden Doppelhaushalts.

Bereits bei der Generaldebatte war es die Fraktion der Freien Wähler, die sich an ein langjähriges Tabu gewagt hatte: Die Freien Wähler konnten sich erstmals vorstellen, den Gewerbesteuerhebesatz zu erhöhen – gekoppelt allerdings an die Bedingung, dass die Stadt Kirchheim im Gegenzug das Gütesiegel „Mittelstandsorientierte Kommune“ erwerben möge. Unter dieser Voraussetzung könne der Hebesatz ab 2012 von 360 auf 370 Prozentpunkte angehoben werden, so lautete der Antrag der Freien Wähler.

Deutlichere und frühere Erhöhungen hatten die Frauenliste und die SPD gefordert: auf 380 beziehungsweise 375 Prozentpunkte, und zwar jeweils ab 2011. Nach ausführlicher Debatte um Sinn und Unsinn, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit der Gewerbesteuer an sich haben diese beiden Anträge im Finanz- und Verwaltungsausschuss die Mehrheit nur knapp verfehlt.

Dr. Silvia Oberhauser, die Fraktionsvorsitzende der Frauenliste, erinnerte daran, dass der Grundsteuerhebesatz inzwischen mehrfach erhöht worden sei. Das gelte auch für jede weitere Einnahmequelle der Stadt Kirchheim, außer für die Gewerbesteuer. Folglich fragte Silvia Oberhauser: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ Im Zusammenhang mit einer höheren Grundsteuer empfand auch Andreas Kenner (SPD) die Anhebung des Gewerbesteuerhebesatzes als „nur konsequent“. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Andreas Schwarz wiederum brachte eine kommunale Leistung als Beispiel, die eben auch mit Einnahmen wie aus der Gewerbesteuer zu finanzieren ist: „Die Feuerwehr muss auch fahren, wenn‘s den Unternehmen schlecht geht.“

Dr. Jörg Mosolf (FDP/KiBü) griff dieses Argument auf, wollte damit aber gerade untermauern, warum er die Gewerbesteuer grundsätzlich für ungerecht hält: „Die Feuerwehr fährt auch für Ärzte und Rechtsanwälte. Aber die zahlen keine Gewerbesteuer.“ Deshalb ist Jörg Mosolf dagegen, „eine ungerechte Steuer auch noch zu erhöhen“. Für die CDU-Fraktion stellte Wilfried Veeser fest: „Eigentlich gehört die Gewerbesteuer abgeschafft.“ Wenn nun aber eine Erhöhung der Gewerbesteuer mit einer Gegenleistung wie bei der „Mittelstandsorientierten Kommune“ verbunden werde, dann habe das immerhin „eine gewisse Logik“.

Ralf Gerber (Freie Wähler) sprach sich ebenfalls gegen die Gewerbesteuer als solche aus, weil es sich dabei nicht nur um eine Gewinnbesteuerung, sondern auch um eine Substanzbesteuerung handle. Aber immerhin lasse sich der Hebesatz erhöhen, wenn sich durch die Zertifizierung als „Mittelstandsorientierte Kommune“ auch die Leistungsfähigkeit der Stadtverwaltung für diejenigen erhöhe, „die zahlen müssen“.

Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker betonte, dass die Infrastruktur einer Kommune von allen in gleicher Weise genutzt werde und dass dazu eben auch die Unternehmen gehörten. Außerdem sei die Gewerbesteuer „die große Steuer, von der eine Kommune lebt und mit der wir das machen können, was eine Kommune machen muss“. Hauptamtsleiter Steffen Weigel sicherte anschließend zu, dass sich die Stadtverwaltung auch im eigenen Interesse um die beantragte Zertifizierung bemühe. Das brauche aber mindestens zwölf Monate Vorlaufzeit.

Bevor dann allerdings über den Antrag der Freien Wähler abgestimmt werden konnte, nach dieser Zusicherung den Gewerbesteuerhebesatz ab 2012 um zehn Prozentpunkte anzuheben, preschte Gerwin Harand (SPD) mit dem Antrag vor, diese Anhebung bereits auf 2011 vorzuziehen. Nachdem dieser Antrag mit zehn zu acht Stimmen eine Mehrheit gefunden hatte, war der ursprüngliche Antrag der Freien Wähler hinfällig.

Dadurch lässt sich aber noch nicht voraussagen, wie sich der Gemeinderat nächste Woche entscheidet. Bindend ist die Beschlussempfehlung aus dem Ausschuss jedenfalls nicht.

Eine weitere Empfehlung betrifft ein gebührenfreies erstes Kindergartenjahr. Mit knapper Mehrheit hat sich der Ausschuss dafür entschieden. Auch hierbei muss sich zeigen, wie der gesamte Gemeinderat am Mittwoch darüber denkt.

Mit Sperrvermerken sollen Ausgaben für Schulsozialarbeitsstellen an der Raunerschule und an der Alleenschule versehen werden sowie die Ausgaben für eine Naturschutzbeauftragtenstelle bei der Stadtverwaltung.

Auf die Notwendigkeit, sparsam mit den Haushaltsmitteln umzugehen, hatte Oberbürgermeisterin Matt-Heidecker bereits zu Beginn der Haushaltsvorberatung verwiesen. Nach der aktuellen November-Steuerschätzung sei zwar für 2010 ein Abschluss zu erwarten, der um 4,7 Millionen Euro besser ausfalle als gedacht. Aber diese Mehreinnahmen ließen sich in den Folgejahren nicht einfach fortschreiben. „Wir sind noch längst nicht über dem Berg“, mahnte die Oberbürgermeisterin.