Kirchheim. „Padre Nostro, che sei nei cieli“. Mit dem Vaterunser beenden die Senioren der italienisch-katholischen Kirchengemeinde ihr Kaffeekränzchen. „Vater unser im Himmel.“ Es ist das bekannteste Gebet des Christentums. Eigentlich haben die Worte in jeder Sprache dieselbe Bedeutung. Und doch gibt es für die Mitglieder der italienisch-katholischen Kirchengemeinde San Marco einen großen Unterschied. Angela Gattari, Mitarbeiterin der Gemeinde, sagt, dass sie das Vaterunser nicht auf Deutsch beten könne, obwohl sie seit vielen Jahren in Deutschland lebt und gut deutsch spricht. „Wenn ich es auf Deutsch bete, fühle ich einfach nichts“, sagt sie. Giuliana Bertoldi, die zweite Vorsitzende des Pastoralrats, stimmt ihr zu. „Italienisch ist unsere Fühlsprache“, sagt sie. Beten und rechnen, das gehe richtig gut nur in der Muttersprache.
1 400 Mitglieder zählt die italienisch-katholische Gemeinde in Kirchheim – Kirchensteuerzahler aus den Umlandgemeinden nicht mitgerechnet. Von ihnen kommen jeden Sonntagnachmittag zwischen 50 und 70 Menschen zum Gottesdienst in die Sankt Ulrichkirche. Darüber hinaus gibt es in der Gemeinde einen Seniorentreff, der 14-tägig zusammenkommt. Manchmal wird gemütlich Kaffee getrunken, dann wieder stehen Ausflüge und Führungen, zum Beispiel im Kirchheimer Schloss oder im Ritter-Sport-Museum in Waldenbuch, auf dem Programm. Auch einen Gebetskreis und eine Frauengruppe gibt es, dazu kommen verschiedene Kindergruppen. In der Krabbelgruppe „Pulcini“ (auf Deutsch: Küken) treffen sich italienische Mütter und ihre Kinder. Ziel der Treffen ist auch die Förderung der Muttersprache. „Die Mütter, die meistens mit Deutschen verheiratet sind, zwingen sich dort, italienisch zu sprechen. So haben die Kinder eine Chance, die Sprache zu lernen“, sagt Giuliana Bertoldi. Die Vorlesestunde in der Linde, in der italienische Bücher vorgestellt werden, dient demselben Zweck. Obwohl die Gemeinde bemüht ist, ihren Mitgliedern etwas anzubieten, will sie sich nicht nur um sich drehen. Feste, die gemeinsam mit der deutschen Gemeinde oder mit der Partnergemeinde San Martino in Nürtingen gefeiert werden, gehören deshalb mit dazu. „Wir wollen nicht nur eine geschlossene Gemeinde sein, sondern auch etwas nach außen machen“, sagt Giuliana Bertoldi.
Seit 1963 gibt es in Kirchheim eine italienisch-katholische Kirchengemeinde. Als die italienischen Gastarbeiter nach dem Krieg nach Baden-Württemberg kamen, ordnete die Diözese Rottenburg-Stuttgart die Gründung solcher Missionen an. „Die Leute sollten ja nicht nur arbeiten, sondern auch ihre Religion ausüben können“, sagt Angela Gattari. In den 50er-Jahren gab es in der Diözese nur eine Mission, in Stuttgart. „Der Pfarrer ist gereist wie ein Weltmeister“, sagt Angela Gattari. In einer Zeit, in der die meisten Italiener kein Deutsch konnten, waren die Missionen auch Zufluchtsorte. „Dort haben sie zum Beispiel Hilfe beim Ausfüllen von Formularen bekommen“, sagt Angela Gattari. Heute sei das teilweise immer noch so. Nur gebe es seit der Einführung der Seelsorgeeinheiten 2005 andere Regeln. Dazu gehören zum Beispiel feste Bürozeiten in den Gemeinden. „Ich helfe, wo ich kann“, sagt Angela Gattari. „Aber wir dürfen heute nicht mehr alles machen.“
Neu ist auch der Priester Anthony Akaeze, der seit dem 1. Juli die italienisch-katholische Gemeinde San Marco und die Gemeinde San Martino in Nürtingen betreut. Er stammt aus Nigeria, spricht aber dank seines Studiums in Rom fließend italienisch. Auch sein Deutsch kann sich bereits hören lassen. Parallel zu seiner Stelle als Priester beendet er gerade seine Promotion. Giuliana Bertoldi und Angela Gattari ist die Abstammung des neuen Pfarrers eigentlich ziemlich egal. Sie schwärmen lieber von seiner lebendigen und menschlichen Art, die Gottesdienste zu gestalten. „Bei der Gemeinde kommt er sehr gut an“, sagen sie. „Wenn die Mitglieder ihn vorstellen, sagen sie: ‚Das ist unser neuer italienischer Pfarrer‘.“