Seit dem Jahr 1945 leben und arbeiten Aidlinger Diakonissen in Esslingen
Gott und den Menschen dienen

Esslingen. „Wir stehen bewusst mitten im Leben“, sagt Schwester Helga Mast. Die 62-jährige Diakonisse leitet die Station der Aidlinger Schwestern in Esslingen, die seit 1945 besteht.

Diakonissen leben zwar in Ehelosigkeit und tragen eine Tracht. Aber sie möchten sich nicht von der Welt abwenden, sondern bewusst in der Gesellschaft wirken. „Ich will mit meinen Fähigkeiten Gott und den Menschen dienen“, sagt Schwester Helga.

Die gelernte Sekretärin hat zunächst im Familienbetrieb mitgearbeitet, bevor sie sich entschloss, an der Bibelschule der Aidlinger Diakonissen eine dreijährige Ausbildung zur Gemeindediakonin, Jugendreferentin und Religionspädagogin zu machen. Mit 28 Jahren wurde sie zur Diakonisse eingesegnet – ein Schritt, den sie nie bereut hat. „Es ist wichtig, die Berufung zu erfahren und nicht nur einem Gefühl zu folgen“, betont sie. Es folgten Jahre als Gemeindediakonin in Filderstadt-Bonlanden und als Jugendreferentin im Kirchenbezirk Sulz am Neckar. „Wir arbeiten an vielen Stellen eng mit der evangelischen Kirche zusammen.“

Seit 1993 arbeitet Schwester Helga in Esslingen. Ihr zur Seite steht seit 1997 die 47-jährige Schwester Gisela Emde. Die gelernte Erzieherin ist vor allem für die Kinder- und Jugendarbeit zuständig. Die beiden Frauen bieten in der Olgastraße 63, wo sie auch wohnen, regelmäßig Bibelstunden, Gesprächskreise für Erwachsene sowie Gruppen für Kinder und Jugendliche an. Auch einen kleinen Buchladen gibt es. „Leider reicht die Zeit für Besuche kaum“, bedauert Schwester Helga. Seelsorgerliche Gespräche finden deshalb oft am Telefon oder am Rande von Veranstaltungen statt.

Das war in den Anfangsjahren anders. 1945 kam die Anfrage eines Esslinger Pfarrers an das Diakonissenmutterhaus in Aidlingen, ob man nicht Schwestern nach Esslingen schicken wolle, um Bibelstunden zu halten und Besuche zu machen. Auch mit der Jugendarbeit wurde begonnen, zunächst in der Wohnung der beiden nach Esslingen entsandten Schwestern. Die Arbeit erweiterte sich rasch so stark, dass bisweilen vier Diakonissen in Esslingen Dienst taten. Damals wurden viele Seelsorge- und Krankenbesuche gemacht. Es gab eine umfangreiche Jugendarbeit, einen Studentenkreis und Freizeitangebote. Die Diakonissen blieben unterschiedlich lange in Esslingen. Doch keine reichte an Schwester Liesel Probst heran, die 27 Jahre lang, von 1967 bis 1994, hier Diakonisse war. Wie stark die Diakonissen nicht nur vom Aidlinger Kreis, sondern auch von anderen Esslinger Bürgern vor allem in Notzeiten unterstützt wurden – mit Lebensmitteln, Möbeln oder handwerklichen Dienstleistungen – davon zeugt die Chronik. 1982 schließlich kaufte das Mutterhaus das bisher gemietete Gebäude in der Olgastraße und baute es um.

Schwester Helga und Schwester Gisela bilden eine Lebens- und Arbeitsgemeinschaft. Sie beziehen kein Gehalt, bekommen aber alles, was sie brauchen, und ein Taschengeld vom Mutterhaus. Nach dem gemeinsamen Frühstück wird besprochen, was am Tag anfällt, und gemeinsam gebetet. Dann gilt es, die verschiedenen Kreise vorzubereiten und das Haus in Ordnung zu halten. „Ein ganz normaler Hausfrauenalltag“, sagt Schwester Helga schmunzelnd. Auch den Feierabend verbringen die beiden Frauen oft gemeinsam. Da wird dann zum Beispiel auch mal Fußball geschaut.

Auch in der Jugendarbeit greifen sie die aktuellen Bedürfnisse junger Menschen auf. So steht im Keller ein Tischkicker und im Jugendraum eine Carrera-Rennbahn bereit. Auch mit PC und Beamer gehen die beiden ganz selbstverständlich um.

„Gleichzeitig wollen wir ein Zeichen setzen in der Welt, dass wir nicht abhängig sind von allen Zeitströmungen.“ Davon zeugt auch ihre Tracht. „Unser Erscheinungsbild ist in der heutigen Zeit schon etwas exotisch“, gibt Schwester Helga zu. Bei manchen Menschen rufe die Schwestertracht Vertrauen hervor, bei anderen Scheu. „Bei einigen spüre ich eine Herausforderung. Oft entstehen aber daraus gute Gespräche, auch über den Glauben.“ Sie weiß, dass es früher einfacher war, die Überzeugung zu vertreten, „dass Gott Herr in der Welt ist. Doch auch heute suchen viele Menschen Halt und wissen nicht, wo sie ihn finden können.“ In den Kreisen gebe es auch Raum, persönliche Anliegen zu besprechen und die anderen Teilnehmer um Unterstützung im Gebet zu bitten. Bewusst halten die Aidlinger Schwestern ihre Angebote – zum Beispiel Bibelstunden mit parallelem Kinderprogramm, Bibelgesprächskreise, Frauenstunden sowie Kinder- und Teeniegruppen – offen für alle Konfessionen. Beim jährlichen dreitägigen Sommerferienprogramm vergnügten sich in den vergangenen Jahren stets rund 40 Grundschulkinder.