Bebauungsplanänderung in Gründerzeitviertel führt zu heftigem Ringen um Kompromisse
Größer, höher, dichter – nicht im „Paradiesle“

Immer größer, höher, dichter – so soll‘s im Kirchheimer ­„Paradiesle“ nicht laufen. Seit zwei Jahren ist eine Bebauungsplanänderung in Arbeit. Jetzt zeichnete sich ein Kompromiss ab. Doch der scheint für eine Reihe von Anwohnern untragbar.

Kirchheim. Der Wandel der Ziele im Gründerzeitviertel Paradiesle ist ein Spiegel des gesellschaftlichen Wandels. Spätestens ab 2020 wird die Bevölkerung auch in Kirchheim deutlich abnehmen, das ist für Stadtplaner keine neue Erkenntnis. „Unser Ziel ist die optimale, nicht mehr die maximale Verdichtung“, erläuterte daher Bürgermeister Günter Riemer im Technischen Ausschuss. Die Bebauungsplanänderung wurde nicht zuletzt deshalb erneut modifiziert. Beispielsweise wurde die zulässige Firsthöhe etwas reduziert, von 13,5 auf 12 Meter innerhalb des Viertels.

Eine klare Einschränkung der Bebauungsmöglichkeiten gegenüber dem derzeit gültigen Plan ist nicht nur Ziel der Stadtplaner und des Gemeinderates. Auch die rührige Initiative „Paradiesle“ hat sich auf ihre Fahnen geschrieben, die „Wohnqualität unseres Viertels erhalten“ zu wollen. „Wir haben die Aufgabe, einen Paradigmenwechsel einzuleiten“, ermutigte daher Karl-Heinz Schöllkopf von den Grünen seine Ratskollegen, den Auslegungsbeschluss zu fassen. Die jetzige Beschränkung komme dem Charakter


des alten Paradiesles sehr nahe. Eva Frohnmeyer-Carey von der Frauenlis­te bemerkte lobend, dem Planwerk sehe man das Ringen um Kompromisse an: „Wir schließen hiermit Bauträgerarchitektur im schlechten Sinne aus.“ „Das ist der richtige Weg“, war sich auch CIK-Vertreter Hans Kiefer sicher. Wenn allen Einzelinteressen nachgegeben würde, sei die Grundintention zerstört.

Ganz anders wertete SPD-Mann Peter Bodo Schöllkopf die Sachlage. Laut Plan durchfahre in einigen Fällen die neue Baugrenze das bestehende Gebäude, sodass ein Aufbau in heutigem Stil nicht mehr möglich sei. Er kündigte zwei Anträge an: Die betroffenen Gebäude müssten von der Baulinie umfahren werden. Außerdem sollte die Flächenbeschränkung im Innenbereich reduziert werden. Albert Kahle (FDP/KIBÜ) stellte sich hinter den SPD-Vorschlag. Selten habe ein Bebauungsplan zu so viel Unmut geführt wie dieser, bilanzierte er und kritisierte, hier sei erneut der „Wutbürger“ produziert worden.

Für eine differenzierte und weniger emotionale Betrachtungsweise sprach sich dagegen CDU-Fraktionschef Helmut Kapp aus. Je nach Wünschen der Anwohner solle versucht werden, die Baugrenze im Einzelfall auf heutigem Bestand zu festigen. Auch Hagen Zweifel, Kopf der Freien Wähler, griff mäßigend ein. Der Gemeinderat sei angetreten mit dem Ziel, den Charakter der Siedlung zu erhalten und Auswüchsen vorzubeugen. „Der vorliegende Bebauungsplan ist gut, muss aber noch auf einzelne Bürgerwünsche eingehen“, fasste er zusammen.

Bürgermeister Riemer verwahrte sich heftig gegen den Vorwurf, im Paradiesle sei im Stile von Stuttgart 21 verfahren worden. An das Projekt seien die Verantwortlichen gewissermaßen am Anfang mit der Raspel, dann mit der Feile und schließlich mit feinem Schmirgelpapier herangegangen. Die Mandatsträger steckten nun in der Bredouille, ihr Königsrecht der Stadtplanung auszuüben und gleichzeitig den Wünschen der Bürger gerecht zu werden.

Stadtplaner Gernot Pohl stellte zunächst klar, dass Rechtssicherheit gegeben ist. Die Überplanung eines Gebietes mit geringerem Baufenster stelle keine Enteignung dar. „Das Land schaut aufs Paradiesle“, hob er den Leuchtturmcharakter des 


Planwerks hervor. Eine Umfahrung bestehender Gebäude mit der Baulinie sei aus Gründen der Gleichbehandlung nicht zu rechtfertigen. Im Übrigen berge die Festschreibung des Bestandes auch Vorteile für die Betroffenen: Sie hätten die Sicherheit, dass ihnen kein anderer mit einem Bauvorhaben zu nahe komme. Ferner unterstrich Pohl die politische Intention der Planänderung: Mit der Beschränkung der Baufenster werde dafür gesorgt, dass die Bodenrichtwerte nicht ins Unermessliche steigen, sodass sich auch Familien den Erwerb einer Immobilie leisten könnten.

Zu guter Letzt wies Pohl auf die Ursprünge der Bebauungsplanänderung hin. Diese liegen in der Bürgerschaft, nämlich in derjenigen, die sich unter dem Dach der Initiative Paradiesle vereint hat. Sie seien beim Rathaus einst vorstellig geworden „in der Angst, dass zu viel, zu hoch und zu dicht“ gebaut werde.