Großer Bahnhof für Elisabeth Kabatek und den Folgeband der legendären Laugenweckle
Großer Bahnhof für Elisabeth Kabatek und den Folgeband der legendären Laugenweckle

Dettingen. Erfolgsautorinnen auf Lesereise haben es nicht immer leicht. Trotz mit ihrem Debüt locker übersprungenen Verkaufszahlen im
 inzwischen schon sechsstelligen Bereich blieb Elisabeth Kabatek bei ihrer Lesung das anheimelnden Ambiente des Dettinger Buchcafés im Alten Gemeindehaus verwehrt.

Baustellenbedingt wurde ihr stattdessen aber in nächster Nähe ein großer Bahnhof bereitet. Die Atmosphäre im voll besetzten Veranstaltungssaal hätte besser nicht sein können. Bei einer gefühlten Frauenquote von mindestens 99 Prozent war ein sicheres Heimspiel zu erwarten.

Mit öffentlichen Verkehrsmitteln angereist, war die kundig über „Katastrophen-Gene“ schreibende Autorin vor allem froh und glücklich darüber, dass sie am richtigen Ort gelandet und nicht - wie zunächst versehentlich anvisiert - nach Dettingen an der Erms durchgestartet war. Dass die versammelte Damenwelt Elisabeth Kabatek nicht nur hören, sondern bei der Lesung unbedingt auch sehen wollte, war nachvollziehbar, denn das gelungene Hörspiel gewann zweifellos durch die eindrucksvolle Bühnenpräsenz der Vorleserin mit unverkennbarer Neigung zum Kabarettistischen. Um ihr schon vorab begeistertes Publikum auf die optimale Betriebstemperatur für ihren flotten „Brezeltango“ zu bringen, setzte die Schriftstellerin zunächst auf ihren Bestseller „Laugenweckle zum Frühstück“.

Der nahtlose Übergang von der gut einstimmenden „Vorgruppe“ zum furiosen Tango-Finale zeigte, dass das literarische Mundart-Konzert in beiden Teilen auf ebenbürtige Besetzung vertrauen konnte. Dass sich die ausgehungerte Fangemeinde der „Laugenweckle“ auf die signierten und handgestempelten frischen „Brezeln“ stürzten werden, verwunderte nicht. Wer sich gleich mit beiden Büchern eindeckte, hat nichts falsch gemacht, ist aber gut beraten, trotz der unabhängig voneinander „funktionierenden“ Geschichten die von der Autorin ja klar vorgegebene Reihenfolge einzuhalten.

Statt „nur“ zu lesen, ließ Elisabeth Kabatek ihre tiefenscharf porträtierten und zum Teil auch liebevoll karikierten schwäbischen Charaktere ganz einfach prononciert zu Wort kommen. Dass die Dialoge dabei nicht frei erfunden, sondern gerade deshalb so stimmig sind, weil die Autorin gerne auch mit in der Straßenbahn aufgeschnappten Originaltönen arbeitet, räumte Elisabeth Kabatek gerne ein. Die Geschichte des raschen Aufstiegs der auf dem Gebiet der Erwachsenenbildung und als Übersetzerin tätigen Anglistin, Hispanistin und Politikwissenschaftlerin in der bislang nicht eben überbelegten Abteilung „Fröhliche Frauenbücher“ hat auch Schattenseiten. Lange wird Elisabeth Kabatek sicher nicht mehr unerkannt „vor Ort“ recherchieren und dialektal eingefärbte sprachliche Meisterwerke einfach einsammeln und zur Freude ihrer begeisterten Leserinnen wiederverwenden können.

Eine wichtige Rolle spielt „in allen“ ihrer bisher veröffentlichten zwei Büchern „Tante Dorle“, die im Erstling am 80. Geburtstag ihre Verlobung bekannt gegeben hatte. Im jetzt vorgestellten Folgeband hadert sie noch etwas damit, dass sie noch immer nicht im sicheren Hafen der Ehe gelandet ist. Ihr mit 82 auch nicht mehr ganz jugendlich-frischer Ehemann in spe wollte wegen der Hochzeitsreise aber unbedingt erst noch die CMT abwarten.

Die kurze aber sehr prägnante Beschreibung der gerade aktuell stattfindenden Messe und vor allem ihrer rüstigen älteren Besucher, die glauben, mit Rucksäcken, grellen Anoraks und Zipp-Hosen unbedingt schon bei der erbarmungslosen Jagd nach Pros­pekten ihre Reisetauglichkeit unter Beweis stellen zu müssen, kam sehr gut an. Elisabeth Kabatek konnte zufrieden feststellen, dass ihre verschworene Fangemeinde ihre Perspektive voll übernimmt und dank der gelungenen Beschreibung die grob skizzierten Messebesucher sofort wiedererkennt, die sich natürlich selbst auch nicht für Touristen halten würden, denn das sind ja bekanntlich immer nur die anderen.

Die Lesung machte deutlich, dass die teilweise ironietriefenden Dialoge perfektes Arbeitsmaterial für nie langweilig werdende Phonetik-Kurse „Schwäbisch für Hochsprachler“ bieten könnten. Die gut ausgewählten Passagen machten Appetit, ohne zu viel von den turbulenten Inhalten der beiden eigenständigen Geschichten zu verraten. Bücher sind ja schließlich zur selbstständigen Lektüre gedacht - auch wenn es natürlich weit wirkungsvoller sein kann, sie sich einfach von der Autorin so vortragen zu lassen, wie sie das alles gemeint oder eben auch gehört hat.

Elisabeth Kabateks größte Stärke ist neben einem völlig allürenfreien offenen Umgang mit dem Publikum zweifellos ihre präzise Beobachtungsgabe. Sie erlaubt ihr eine süffisante aber nie verletzende kritische Sicht auf ihr persönliches Umfeld, auf die ihr vertraute Umgebung, auf ihre Mitmenschen, aber letztlich natürlich auch auf sich selbst. Oberflächlich scheinende Unterhaltungen bekommen dank der zwischen den vielen Klischees immer wieder aufblitzenden Ironie eine ganz neue Qualität, die nicht akademische Höhen anstrebt, sondern offensichtlich vor allem gut unterhalten und vertrautes Lokalkolorit überzeugend abbilden und vermitteln will.

Nach einer wahren Inflation aberwitziger Humorbücher von Männern ist es gut, dass auch in der Abteilung Frauenbücher inzwischen ausgelassen geschmunzelt werden kann. Aufgesetzte „Fröhlichkeit“ oder schenkelklopfender Brachialhumor muss ja nicht unbedingt gleich sein. Mundart-Kabarett mit Kabatek ist, wie die Publikumsreaktionen zeigen, eine weit erfolgversprechendere, wenn auch etwas frauenlastige Mischung.