Trotz launischen Wetters war das Rollschuhplatz-Festival der Bastion gut besucht
Grooven gegen die Kälte

„Crimestop“, „Labana“, „Music Monks“ – die großen Namen waren in diesem Jahr beim Rollschuhplatz-Festival nicht vertreten. Der Qualität tat das aber keinen Abbruch. Im Gegenteil: Selbst das kühle April-Wetter hielt die Besucher des Traditions-Festivals auf dem Asphaltplatz hinter der „Bastion“ nicht davon ab, die Bands aus nah und fern ausgelassen zu feiern.

Kirchheim. Parallel zum Kirchheimer „Haft & Hoka“-Fest hatte auch der Club Bastion was zu feiern, nämlich die diesjährige Auflage des Rollschuhplatz-Festivals, eines der entspanntesten Events in weitem Umkreis. Hat eben deshalb die Ordnungsmacht selten Grund, sich im Oval des Festivals zu zeigen, tat sie es diesmal ganz bewusst und bezog – sozusagen – auf der anderen Seite der Theke Stellung. Denn drei der fünf Musiker von „Crimestop“ sorgen im Alltag für Ruhe und Ordnung. Doch wehe, wenn sie losgelassen. Dann wird auf der Bühne gerockt was das Zeug hält. Leider war, als die Esslinger Rocker ihrer Leidenschaft für die Musik der 70er-Jahre frönten, kaum jemandem nach Tanzen zumute, was wohl auch der schwarzen Wolkenwand geschuldet war, die drohend über Kirchheim hing.

Doch das Wetter hielt, wenn auch nicht auf allzu hohem Temperatur-Niveau. Ohne Jacke ging gar nichts. Da konnten die warmen Snacks und Getränke, die auf dem Festival-Platz angeboten wurden, nicht viel ausrichten. Ein Sommertag wollte, auch nachdem der Regen rechtzeitig vor Festbeginn aufgehört hatte, aus diesem Samstag nicht mehr werden. Selbst die wahrhaft heißen Latin-Rhythmen von „Labana“ konnten nicht wirklich helfen. „Jedermann in Kuba spielt Congas. Da riet mir meine Mama: „Junge, wenn die berühmt werden willst, spiel Gitarre und mach Rockmusik“. Tja, die Mutter von Dany Martinez hat wohl recht behalten. Und auch, wer am Samstag um die frühe Abendzeit schon den Weg in das Oval des Rollschuhplatzes gefunden hatte, konnte kaum anders, als bei den rhythmischen Klängen des Septetts mit zu gehen. Zwei Percussionisten an Congas und Timbales unterlegten die meist traditionellen Rocknummern der Band mit dem knackigen Groove der Karibik.

Nach einer weiteren Umbaupause und der launigen Überleitung von Bastion-Aktivist Andreas Kenner geschah dann tatsächlich das kaum noch Erwartete: Die ehrenamtlichen Mitglieder und Helfer an den Abendkassen hatten noch einmal mächtig zu tun. Der neuerliche Besucherstrom riss nicht ab und innerhalb von nur zwei Minuten hatten es die Rampensäue der „Musik Monks“ geschafft, die bis dato fast gänzlich leer gebliebene Tanzfläche zu füllen. Mit fetten Bläsersätzen, Scratchings und peitschenden Bassläufen grätschten die neun „Seeed“-Fans aus Hessen in die Kühle der Sommernacht. Drei Rapper mit schwingenden Tüchern überzeugten auch den letzten Besucher, dass zu den Grooves der Band nur eines geht: Mitrocken. Wer sitzen blieb, hatte den Anschluss verloren. Das gab, nur des Reimes wegen, ‚nen Satz heiße Ohren. Ganz schön heiß wurde es nämlich der rockenden Menge auf der Tanzfläche, die sich immer wieder zum Mitmachen wilder Spielchen animieren ließ.

Würde das gehen, hatte man sich im Vorfeld gefragt, „Seeed“ angemessen zu covern? Die Antwort des Kirchheimer Publikums lautete eindeutig Ja. Schließlich ging es ja nicht darum, das Material eins zu eins umzusetzen. Die Hessen legten ausdrücklich Wert darauf, eigene Akzente zu setzen. Das gelang ihnen auch, und nicht zuletzt mit einem Seeed-Hit, der die Band gleich angemessen ankündigte: „Music Monks ride again.“

Wie hatte es Andreas Kenner in seiner Anmoderation doch so schön formuliert? Wenn die deutschen Kicker so gut wären, wie die ebenfalls elf „Music Monks“, „no hätta mir des Halbfinale gega Italie net verlora.“

Am Sonntag dann endlich Sonne. Und die Überraschung für die Veranstalter war perfekt: Als pünktlich um 11 Uhr das Johnny Trouble Trio die Bühne des Rollschuhplatzes betrat, hatte man schon fast volles Haus. „So viele Zuschauer hatten wir Sonntag vormittags noch nie“, freute sich Andreas Kenner. Sogar etliche notorische „Nachteulen“ hätten sich für das Konzert des Stuttgarter Rockabilly-Trios früh erhoben, um rechtzeitig auf den Rollschuhplatz zu kommen.

Das Haupthaar gegelt, ganz im Stil der Teddyboys, tadellos der Anzug, der coole Blick durch die Sonnenbrille: „Baby, bleib mir vom Leibe, sonst verbrennst du“. Das kommt vor allem bei den Mädels gut an. Für den Frühschoppen ist die Band – bei aller Coolness – allerdings vielleicht doch eine Spur zu heiß.

Als hätten sie‘s beschworen: „Blauer Sonntag“ lautete das Motto, mit dem die Kirchheimer Musikschule ihre meist jugendlichen Eleven auf die Bühne schickte. „Blues Mafia“ heißt die Band und wird unter (fast) strahlend blauem Himmel ergänzt durch die „Cool Kids“ unter der Leitung von Eberhard Schmid. Den Bass zu den bluesigen Saxophonriffs zupfte Achim Bosch, der während des ganzen Festivals für den Sound zuständige Mann. Die Gitarrenlicks steuerte Hans-Peter Weyhmüller bei.

Dem witzigen Kindertheaterstück „Heute feiern wir ein Fest“ von Vladislava und Christoph Altmann folgte am Nachmittag ein Konzert der aus der Region stammenden Band „My Little Rockstar Dream“, bevor gegen 
Abend mit der Stuttgarter Formation Sonnenterasse ein zweiter Höhepunkt des Sonntagsprogramms erwartet wurde. Leider war zu diesem Zeitpunkt die Zahl der Besucher im Rollschuhplatz-Oval merklich gesunken, was Andreas Kenner Anlass zu der Bemerkung gab, dass derlei „Eigengewächse“, die sich wirklich bemühten, etwas Originelles und eigenständiges auf die Beine zu stellen, nicht genügend Beachtung beim Publikum und den Medien fänden.

Noch schien die Sonne, als die ersten Soundchecktöne für den Auftritt des absoluten Highlights im Sonntagsprogramm des Rollschuhplatzfestivals 2013 von der Bühne dröhnten. Erwartet wurde ein Feuerwerk der Rockmusik, „Fireworks of Rock“, der 70er Jahre mit Ausflügen in die „umliegenden“ Jahrzehnte. Hinter dem Projektnamen verbirgt sich eine Zusammenarbeit der Freiburger Band „The Brothers“ mit dem Ausnahme-Vokalisten Oli Meier.

„Freiburg ist die Fußball-Hauptstadt Baden Württembergs“ konnte sich Moderator Andreas Kenner nicht verkneifen, den VfB-Fans im Publikum eine Prise Salz in offene Wunden zu streuen. „Net des was immer kommt“ kündigte er an, sondern „des, was schwer zu spiela isch“.

Coco, Tilo und Lorenz Buchholz, verstärkt durch Thomas Klauer am Bass und dem etatmäßig für „Skydive Naked“ aktiven Frontman Oli Meier bestätigten Kenners Einschätzung in den folgenden zwei Stunden auf überwältigende Weise. Was ein Ian Gillan bei Live-Auftritten seiner Band Deep Purple nicht mehr kann: Oli Meier schafft es. Nämlich zwischen den Strophen von „Child in Time“ seine Stimme ohne sichtbare Anstrengung in irrwitzige Höhen zu jagen, was ihm auch bei Uriah Heeps „Bird of Prey“ hervorragend gelingt. „Bohemian Rhapsody“ ist ein weiteres Beispiel für die stimmlichen Fähigkeiten der weiteren Bandmitglieder, die neben der des Leadvokalisten immer wieder gefragt sind.

Doch auch in den Gesangsschuhen eines David Coverdale oder eines Chris Thompson fühlt sich Oli Meier sichtlich und hörbar wohl. Songs wie „Aqualung“, Bowies „Space Oddity“ oder „More than a Feeling“ gecovert zu hören, ist schon ein Erlebnis. Wer hat schon die Stimme, alle diese Sänger interpretieren zu können, ohne dabei hundertprozentig als Kopist unterwegs zu sein? Auch sind oftmals die Arrangements solcher „All-Time-Hits“ zu clever oder die Produktion so überragend, dass nicht einmal der Originalinterpret sich an eine Live-Version wagen würde. Die Buchholz-“Brothers“ mit Oli Meier zusammen kriegen‘s hin, und sie legen nochmal einen drauf, wenn ihr gegen Ende wieder ausgesprochen zahlreich auf der Tanzfläche versammeltes Publikum so mitmacht, wie bei der mitreißenden Performance von Foreigners „Jukebox Hero“. Bitte wiederkommen, „Fireworks of Rock“!