Experten von Ernst & Young und CMK stellen Ergebnis vor – Kreis muss Kliniken entschulden
Gutachten weist in Richtung „Ehe“

Kreiskliniken und Städtisches Klinikum Esslingen können langfristig nur überleben und alle Krankenhausstandorte sichern, wenn sie sich zusammentun. Das ist das Fazit der Experten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young und der Krankenhausberatung CMK.

Richard Umstadt

Esslingen. Um größtmögliche Transparenz herzustellen, wie Bernd Sieber, der Geschäftsführer des Klinikums Esslingen, sagte, präsentierten und erläuterten gestern Morgen im kleinen Sitzungssaal des Esslinger Landratsamtes die Gutachter Nils Söhnle und Martina Pfeil von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young sowie Christof Mutter von der Krankenhausberatung GmbH CMK das Klinikenstrukturgutachten der Presse. Parallel dazu informierten ebenfalls gestern die jeweiligen Geschäftsführer der Kliniken die Krankenhaus-Mitarbeiter an allen Klinikstandorten. Bereits am Dienstag war die 118-seitige Expertise den Verhandlungsdelegationen des Kreises und der Stadt Esslingen vorgestellt worden (wir berichteten).

Von verschiedenen Modellen fokussierten sich die Gutachter auf ein Modell, das die hohe Qualität der medizinischen Versorgung gewährleistet, die Wirtschaftlichkeit sicherstellt und zudem die Krankenhausstandorte im Landkreis Esslingen erhält. Dieses Modell setzt grundsätzlich ein Zusammengehen der Kreiskliniken mit dem Städtischen Klinikum Esslingen voraus. Denn ein getrenntes „weiter so“ würde den ruinösen Konkurrenzkampf fortsetzen. Die Kliniken müssten noch mehr Geld in ihre Häuser stecken, dennoch würden sie die nötigen Fallzahlen und Erlöszuwächse nicht erreichen und noch tiefer ins Minus kommen, was schließlich für den Landkreis die Schließung von Fachabteilungen und Aufgabe von Krankenhausstandorten bedeuten könnte.

Deshalb kamen die Gutachter von Ernst & Young, die für den wirtschaftlichen Part der Expertise zuständig waren, und der Gutachter von CMK, der die Bewertung der medizinischen Versorgung vornahm, zu dem Schluss, dass ein Zusammengehen der Kreiskliniken mit dem Städtischen Klinikum Esslingen die beste Lösung wäre. Dadurch bliebe die medizinische Versorgung in der Fläche gewährleistet, die Kompetenzen könnten bestmöglich gebündelt und Doppelstrukturen, etwa in Ruit und Esslingen, abgebaut werden. Die Zahl der Betten könnten an den Bedarf angepasst und Gebäude sowie Geräte optimal genutzt werden.

Das empfohlene Modell sieht ein einheitliches Krankenhaus Esslingen-Ruit als Zentralversorger im nördlichen Bereich des Kreises vor und ein weiteres Plankrankenhaus Nürtingen-Kirchheim-Plochingen der Grund- und Regelversorgung mit Psychiatrie. Durch das von den Gutachtern favorisierte Psychiatrie-Konzept kann die Klinik Plochingen erhalten werden. Das bedeutet, dass der stationäre Bereich der Psychiatrie in Nürtingen geschlossen und komplett nach Plochingen und Kirchheim verlegt wird. Die Klinik Plochingen soll innerhalb des Gebäudes entsprechend umgebaut und für 140 bis 160 Betten hergerichtet werden. Kirchheim übernimmt die vollstationäre Suchtbehandlung mit 25 bis 30 Betten in den vorhandenen Räumlichkeiten. Christof Mutter von CMK sah darin den Vorteil der engen Anbindung an die Innere Medizin. Im Paracelsus-Krankenhaus Ruit müssten durch das Zusammengehen mit der Esslinger Klinik 22 Millionen Euro für die bauliche Sanierung weniger ausgegeben werden und das Psychiatrie-Konzept würde Einsparungen in Höhe von 21,3 Millionen Euro mit sich bringen, nannte Ernst & Young Gutachter Nils Söhnle weitere Vorteile.

Im Gegensatz zu einer getrennten Fortführung der Kreiskliniken und des Städtischen Klinikums Esslingen prognostizierte Söhnle bei einer Fusion der Krankenhäuser mittelfristig, er nahm das Jahr 2016 an, die höchste Wirtschaftlichkeit. Auch könne dann ein ordentliches Betriebsergebnis im Gegensatz zu 2012 erzielt werden. Heute weisen die Kreiskliniken ein Defizit von 16 Millionen Euro auf. Die Kliniken sind kaum liquide und nur unzureichend mit Eigenkapital ausgestattet.

Zwingende Voraussetzung für ein wie immer geartetes gemeinsames Unternehmen ist aber den Worten des Gutachters zufolge eine Entschuldung. Für den Landkreis bedeutet dies, außer den 80 Millionen Euro Schulden seiner Kliniken auch die 50  Millionen Euro an Schulden für den Erweiterungsbau in Ruit zu übernehmen. Freilich müssen dem noch Verwaltungs- und Finanzausschuss sowie Kreistag zustimmen. Außerdem empfahl Nils Söhnle das gemeinsame Unternehmen mit genügend Eigenkapital auszustatten.

Geschäftsführer Andreas Sieber bezeichnete das „Gutachten zur Gestaltung der Krankenhausversorgung im Landkreis Esslingen“ als einen „gelungenen Wurf“. Und: „Wir versuchen aufeinander zuzugehen und zusammenzugehen“. Dies sei aber „noch keine Hochzeit“. Dennoch sah er das Klinikum Esslingen und die Kreiskliniken „auf dem Weg zur Verlobung“. Ob beide eine „Ehe“ eingehen werden, darüber müssten die politischen Gremien befinden.

Auch für den Geschäftsführer der Kreiskliniken, Thomas Kräh, machte es Sinn, „gemeinsame Angebote zu etablieren.“ Kräh stellte ein gewaltiges Auseinanderklaffen der soge­nannten Kosten-Erlös-Schere der Krankenhäuser fest und blickte nach Berlin: „Dort wird eine Unterfinanzierung des Klinikwesens bewusst in Kauf genommen. Hätten wir keine Not, gäb‘s die Annäherung nicht“.