Bei den Altkleidersammlern, die in Kirchheim aktiv sind, gibt es erhebliche Unterschiede
Gute Geschäfte

Wenn im Kleiderschrank kein Platz mehr ist, führt der Weg oft zum nächsten Altkleidercontainer. Doch was geschieht mit den Kleidern und Schuhen, die die Kirchheimer in die 54 Container werfen, die im Stadtgebiet und den Teilorten stehen – meist in dem Glauben, bedürftigen Menschen zu helfen? Eine Spurensuche.

Kirchheim. „Helfen Sie bedürftigen Menschen“, „FairCollect – Partner vieler karitativer Organisationen“ – wer abgelegte Kleidung in einen Container wirft, der bekommt das Gefühl, etwas Gutes getan zu haben, gratis dazu. Für welchen Container man sich entscheidet, scheint völlig egal zu sein. Das suggerieren solche Sätze. Dabei könnten die Organisationen, die die Altkleider weiterverwerten, nicht unterschiedlicher sein.

54 Altkleidercontainer stehen in Kirchheim und den Teilorten auf städtischem Grund – Container auf Privatgrundstücken und illegale Behälter, die immer wieder über Nacht auftauchen, nicht mitgezählt (siehe Infobox). Sie gehören vier Unternehmen, die sich dafür 2009 eine behördliche Genehmigung eingeholt haben. Zieht eine Organisation ihre Container ab, rückt eine andere nach, vier oder fünf Organisationen sind nach Angaben der Stadt aktuell auf der Warteliste für einen Stellplatz. Freiwillig geht jedoch kaum einer. Denn die Stellplätze sind mit 50 Euro Jahresgebühr vergleichsweise günstig. Und der Weltmarktpreis für abgelegte Klamotten ist hoch. Eine Tonne – das entspricht drei Containerfüllungen bester Qualität – sind zurzeit 400 bis 500 Euro wert.

Glaeser Textil, Mario Sedita, Striebel Textil und Isevtex – diese Firmen mit Sitz in Ulm, Aalen, Langenenslingen und Stuttgart teilen in Kirchheim den Altkleidermarkt unter sich auf. Den meisten Verbrauchern sind diese Namen vermutlich nicht geläufig, denn die Firmennamen sind im Vergleich zu den Werbebotschaften, die auf den Containern prangen, recht klein geschrieben.

Zwei der Unternehmen, nämlich Striebel Textil und Isevtex, sammeln für drei Hilfsorganisationen, die diesen Aufwand selbst nicht betreiben können oder wollen: Striebel Textil ist Dienstleister für den katholischen Verband Aktion Hoffnung und Malteser Stuttgart, Isevtex für den Kirchheimer Kinderschutzbund. Glaeser Textil und Mario Sedita arbeiten auf eigene Rechnung. Das heißt, sie stecken den Gewinn komplett in die eigene Tasche – auch wenn auf den Containern „Partner vieler karitativer Organisationen“ oder „Helfen Sie bedürftigen Menschen“ steht.

Natürlich steckt auch hinter den Sammlungen der Dienstleister, die für Hilfsorganisationen die Container leeren, ein Geschäft. Ebenso wie bei den gewerblichen Unternehmen landet der größte Teil der Kleidung in Sortierbetrieben und wird anschließend ins Ausland verschifft, wo die Ware auf Secondhand-Märkten verkauft wird. Organisationen wie Striebel Textil behalten die Unkosten und einen angemessenen Gewinn für sich ein, der zwischen dem Unternehmen und der Organisation verhandelt wird. Wie viel genau das ist, ist Betriebsgeheimnis. Der Rest wird an Aktion Hoffnung und Malteser Stuttgart abgeführt, wo das Geld in soziale Projekte fließt.

Wie viel Isevtex an den Kinderschutzbund abführt, war bis Redaktionsschluss nicht zu erfahren. Der Kinderschutzbund Kirchheim trägt sich seit einiger Zeit mit dem Gedanken, sich aus dem Altkleidergeschäft zurückzuziehen.

Doch auch abseits der Frage, wohin der Erlös fließt, gibt es bei den Sammlern erhebliche Unterschiede. Striebel Textil und Mario Sedita lassen die Altkleider und -schuhe ausschließlich im Inland sortieren, Striebel Textil im eigenen Betrieb in Langenenslingen, Mario Sedita bei einem Partnerunternehmen in Hannover. Das ist laut dem Verband Fairwertung ein Pluspunkt. „Die Standards in Deutschland sind in der Regel höher“, sagt Geschäftsführer Andreas Voget. Glaeser Textil lässt nach eigenen Angaben im In- und Ausland sortieren, bei Isevtex, dem Sammler des Kinderschutzbunds, war bis Redaktionsschluss nichts zu erfahren. Die Firma ist die einzige, die auf ihrer Homepage nicht damit wirbt, zertifizierter Entsorgungsfachbetrieb zu sein.

Es gibt allerdings auch Organisationen, die einen Teil der Kleidung selbst sortieren und spenden. „Etwa 600 Tonnen im Jahr gehen direkt in die Sammelzentrale nach Laupheim“, sagt Anton Vaas, Geschäftsführer von Aktion Hoffnung. Dort werde die Kleidung von Ehrenamtlichen sortiert und von dort aus direkt an Caritas- und Missionsorganisationen verschickt. Aktion Hoffnung hat im Gebiet der Diözese Rottenburg-Stuttgart 1 100 Container. „Das können wir nicht alles selbst sortieren, da stoßen unsere Ehrenamtlichen an ihre Grenzen“, sagt er. Deshalb arbeite Aktion Hoffnung mit Dienstleistern zusammen, auch wenn das den Erlös schmälert. Anton Vaas weiß genau, was Altkleider momentan wert sind. „Wir schauen immer, wie viel man erzielen kann und was tatsächlich bei uns ankommt“, sagt Vaas. Passe das nicht mehr zusammen, könne man ja auch den Dienstleister wechseln.

Von all diesen Unterschieden ahnen die meisten Spender nichts. Schließlich wirken die Container rein äußerlich sehr ähnlich. „Die Verbraucher können die Container nicht mehr unterscheiden“, sagt Thomas Gäßler, Gebietsleiter bei Striebel Textil. Sein Unternehmen spürt in Kirchheim die Konkurrenz. „Die Container werden nicht mehr voll“, sagt er. Das liege teils an den gewerblichen Sammlern, teilweise auch an den illegalen Containern, die ab und an auftauchen. Wenn ein karitativer Zweck vorgegaukelt werde, sei das in keinem Fall fair.

Auch Anton Vaas weiß, dass sich Spender leicht irreführen lassen. „Sobald ein Verbraucher „fair“ liest (Anmerkung der Redaktion: wie auf den Containern von Glaeser Textil), schmeißt er den Sack rein – auch wenn es nicht mehr als ein Marketing-Gag ist.“

Aktion Hoffnung ist seit 20 Jahren dem Verband Fairwertung angeschlossen. Dieses bundesweite Netzwerk aus gemeinnützigen und kirchennahen Organisationen setzt sich für mehr Transparenz und Verantwortlichkeit beim Sammeln und Verwerten von gebrauchter Kleidung ein. Organisationen können sich dort zertifizieren lassen. „Das wichtigste Kriterium ist, dass der gesamte Erlös in soziale Projekte fließt“, sagt Anton Vaas. Auch der Sammler von Aktion Hoffnung und Maltester Stuttgart, Striebel Textil, arbeitet mit Fairwertung zusammen – als nur eines von vier zertifizierten Entsorgungsunternehmen in Deutschland.

Die gewerblichen Unternehmen sind auf die Hilfsorganisationen teilweise nicht gut zu sprechen. „Die karitativen Organisationen suchen sich die lukrativsten Stellplätze heraus, während wir die Versorgung in der Fläche sicherstellen“, schimpft der Mitarbeiter eines Unternehmens, der nicht namentlich genannt werden möchte. Die Unternehmen pochen darauf, dass sie sich an Recht und Gesetz halten – anders als die illegalen Sammler, die ihnen das Leben schwer machen. Das attestiert ihnen ein Zertifikat des Bundesverbands für Sekundärrohstoffe und Entsorgung. Allerdings steht in den Leitlinien nichts davon, dass die Unternehmen sich darauf verpflichten, karitative Organisationen zu unterstützen, wie es die Aufschriften auf den Containern oft suggerieren.

Die Unternehmen weisen darauf hin, dass sie ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen. „Wir arbeiten seit mehreren Jahren mit der Diakonie Stetten, der Tafel in Aalen, verschiedenen Schulen, Kindergärten und Vereinen zusammen“, sagt Frank Nemeth von Mario Sedita. Das Unternehmen will sein Engagement sogar noch weiter ausbauen. Auch Hans-Jürgen Nusser von Glaeser Textil betont, dass man andernorts mit karitativen Trägern zusammenarbeite – wenn auch nicht in Kirchheim.

„Ich muss schon schmunzeln, wenn ein gewerblicher Sammler sagt: Wir spenden doch auch“, sagt Anton Vaas von Aktion Hoffnung. „Das tut doch heute jedes Unternehmen, schon allein aus steuerlichen Gründen.“

All das hat bei der Stadt Kirchheim, die über die Vergabe von Stellplätzen entscheidet, bisher keine Rolle gespielt. „Es gab mal Überlegungen, ob man die Unternehmen, die derzeit aufstellen, überprüft“, sagt Christoph Lazecky, Sachgebietsleiter Straßenverkehr beim Ordnungsamt und zuständig für die Genehmigungen. Die Überlegungen wurden jedoch nicht weiter verfolgt.