NICOLE MOHN
Kirchheim. Dass Krafttraining einmal einen wichtigen Einfluss auf unsere Gesundheit im Alter hat, hätte vor 20 Jahren wohl kaum jemand für denkbar gehalten. Silke und Marco Unverdruß, die beiden Köpfe hinter dem SL Sportstudio Kirchheim, hingegen leben diese Philosophie in ihrem Haus schon seit vielen Jahren. Zum „Einjährigen“ des Studios in den neuen Räumen in der Marie-Curie-Straße holten sie nun den Sportwissenschaftler und Schöpfer des Fitness-Führerscheins für Studiomitglieder und Interessierte in die Stadthalle, um die „klare Logik“ hinter dem Trainingsprinzip einem breiten Publikum vorzustellen.
Seit den 90er-Jahren ist Bredenkamps Buch „Erfolgreich trainieren“ eine Bibel für viele Fitness-Trainer. Der ehemalige Deutsche Meister im Bodybuilding tourt seither durch die Lande, um für sein Konzept der optimalen Trainings zu werben – und für ein regelmäßiges Training als Grundstock für Beweglichkeit und Fitness im Alter.
Mucki-Bude statt Rollator – das hört sich für manchen zunächst ungewohnt an. Bredenkamp sieht im regelmäßigen Training jedoch den Schlüssel, um etliche Zivilisationskrankheiten in den Griff zu bekommen. Fehlende Kraft ist es nach Auffassung des Wissenschaftlers, die das Alter für viele beschwerlich macht. Und das lässt den Senior öfter auf dem Stuhl sitzen bleiben, als sich zu bewegen. „Aber wer nicht vom Stuhl hochkommt, kann auch nichts für sein Herz-Kreislauf-System tun“, macht der Wissenschaftler deutlich, welche Konsequenzen dies nach sich zieht. Zieht der Muskel nicht mehr stark genug am Knochen, leide auch bald die Knochendichte, fördere es Arthrose in den Gelenken.
Ohnehin ist es um die Fitness der Menschen nicht gut bestellt. Das führt Bredenkamp darauf zurück, dass sich Muskelarbeit aus dem modernen Alltag der Menschen verabschiedet hat. Zuerst mit der Wirtschaftswunderzeit, als Auto und Waschmaschine in deutschen Haushalten Einzug hielten. Später kamen PC und Internet dazu. Statt Abenteuer auf dem Sport- oder Spielplatz, geht der Mensch des 21. Jahrhunderts schon in jungen Jahren mit dem Joystick auf die Jagd.
Kommt mit dem Alter der Verschleiß und sinkt die Muskelkraft, entwickelt sich eine Spirale von Kraft- und Bewegungslosigkeit mit fatalen Folgen: „Es kommt zu einer Kraftlosigkeit, aus der viel Krankheit erwächst“, diagnostiziert Bredenkamp. Die Muskulatur zu pflegen ist für den Sportwissenschaftler deshalb wichtiger als kämmen oder Zähne putzen: „Denn dritte Muskeln gibt es nicht.“
Gartenarbeit, der Spaziergang am Abend– das alles stoppt diese Entwicklung nicht. Training – auch für den 70- oder 80-Jährigen – ist deshalb für den Fitness-Guru die Antwort: „Damit man mit 90 den Spaziergang am Abend immer noch machen kann.“
Wie man sein Training optimiert, dafür gab er einige Tipps. Dabei nutzt Bredenkamp in seinen Prinzipien den Automatismus des Körpers zur Superkompensation. „Das ist wie mit der Hornhaut: Um Hornhaut zu bekommen, müssen sie zunächst Haut abrubbeln. Der Körper ersetzt die verlorene Hautschicht und packt zur Sicherheit noch eine Schicht obendrauf“, benutzt der Sportwissenschaftler ein einfaches Bild, um das Grundprinzip zu erläutern. Ähnlich funktioniere das beim Muskel. Bei einer ermüdenden Belastung baue der Körper in der Erholungsphase mehr Muskeln wieder auf. „Mehrausgleich“ nennt Bredenkamp den Effekt. Gift ist es allerdings, gönnt man dem Körper anschließend nicht die nötige Ruhepause. „Das Training ist nur der Auslöser für die Verbesserung“, erklärt er. Wer zu viel trainiert, riskiert am Ende den Verschleiß. „Das Verhältnis von Anstrengung und Erholung muss stimmen“, so Bredenkamp.
Sport treiben ist das eine, eine ausgewogene Ernährung das andere. Dabei räumt der Buchautor mit einem Irrtum auf: „Nicht die Ernährung ist Ursache für Übergewicht. Für das, was wir essen, bewegen wir uns schlicht zu wenig.“ Das Nichtstun mit weniger Essen auszugleichen, funktioniere aber nicht. Crash-Diäten hätten zwar kurzfristig Erfolg, doch mit Programmen wie „Zehn Pfund in zehn Tagen“ verliere der Körper nur wenig Fett, dafür aber viel Wasser. Und Wasserverlust sei gleichbedeutend mit Muskelverlust. Zudem fährt der Körper den Stoffwechsel herunter – und dies bis zu drei Monate. Fängt der Diät-Haltende dann wieder an, normal zu essen, sind die zehn Pfund schnell wieder drauf – plus ein, zwei Extra-Pfunde. Denn auch hier wirkt das Prinzip der Superkompensation. Ebenso bei der Stressbewältigung spielt Training für den Bestseller-Autor eine große Rolle.
Kann das Zebra den Stress, den ein angreifender Löwe verursacht, mit der Flucht abbauen, sei der Mensch mit seinen modernen Ängsten überfordert. Denn es ist nicht mehr die Angst vor dem Raubtier, die uns umtreibt, sondern Probleme, deren Lösungen weit entfernt sind. Findet der Mensch keine Strategie, die Probleme anzupacken oder damit umzugehen, brenne er aus, bevor die Lösung erreicht ist – neudeutsch Burn out. „Stress ist an Bewegung gekoppelt“, macht Bredenkamp deutlich, dass Sport hier ein nützliches Ventil sein kann. „Bleiben Sie nicht einfach sitzen, bringen Sie ihren Körper in Bewegung“, ist deshalb die zentrale Botschaft, die der Fitness-Guru dem Kirchheimer Publikum mitgibt.