309 niedergelassene Mediziner im Landkreis – „Baustellen“: Schurwald und Pflegeheime
„Hausärztliche Versorgung krankt“

Genügend Hausärzte gibt es laut Kassenärztliche Vereinigung im Kreis Esslingen. Die Statistik vernachlässigt dabei den Schurwald. Auch bei der medizinischen Versorgung von Pflegeheimen haben Mitglieder des Sozialausschusses des Kreistags „Baustellen“ ausgemacht.

„Hausärztliche Versorgung krankt“
„Hausärztliche Versorgung krankt“

Kreis Esslingen. 309 Hausärzte praktizieren rein statistisch gesehen im Landkreis Esslingen laut Kassenärztlicher Vereinigung Baden-Württemberg (KV). 126 davon sind unter 50 Jahre

alt. 112 Ärzte sind zwischen 50 und 59 Jahre und 71 niedergelassene Mediziner sind 60 Jahre alt und da­rüber. Als diese Statistik 2009 von der KV erstellt wurde, war im Landkreis Esslingen keine Hausarztstelle für eine Neuzulassung offen. Die Kassenärztliche Vereinigung geht daher von einer ausreichenden Versorgung des Landkreises an Hausärzten aus. „Dieser Eindruck täuscht“, meinte der Leiter des Gesundheitsamtes im Esslinger Landratsamt, Dr. Walter Kontner. Der Grund: Die KV wirft überversorgte mit unterversorgten Regionen des Kreises in einen Topf, mischt gut durch und kommt bei großräumiger Betrachtungsweise zu dem genannten positiven Ergebnis. Das stimmt jedoch nicht mit den Gegebenheiten auf dem Schurwald überein. Kontner: „Dort ist die Situation etwas dünner“, was den Kreis auf den Plan rief. Allein, den Kommunen seien rechtlich im ambulant-ä

rztlichen Bereich die Hände gebunden. In dieser Lage setzten sich Landrat Heinz Eininger und Dr. Kontner mit den Vorsitzenden der Kreisärzteschaft Esslingen und Nürtingen, Dr. Rainer Graneis und Dr. Peter Meyer, zusammen. Dabei sagte der Landkreis zu, die Weiterbildung des Hausärztenachwuchses in den Kreiskliniken zu stärken und die Hausärzte hinsichtlich ihrer Bereitschaftsdienste zu entlasten.

Aichwalds Bürgermeister Nicolas Fink, SPD, sah gestern im Sozialausschuss ebenfalls Handlungsbedarf. Er regte an, noch vor einer Kreiskonferenz gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung nach Lösungen zu suchen. In Aichwald hören vier Hausärzte altershalber auf und ein junger Arzt hat vor, auszuwandern. „Für praktizierende Ärzte stimmen die Rahmenbedingungen nicht mehr“, monierte der Aichwalder Bürgermeister.

„Die hausärztliche Versorgung krankt“, hatte auch Plochingens Schultes Frank Buß, Freie Wähler, beobachtet. Das Gesundheitswesen leide immer mehr an finanzieller Schwindsucht „und die Anforderungen steigen“. Deshalb erlaubte sich Buß die Frage in Richtung Stuttgart

: „Wie will die Kassenärztliche Vereinigung ihrem Sicherstellungsauftrag gerecht werden?“ Bei deren großräumiger Betrachtung des Kreises werde das Ungleichgewicht, etwa zwischen Schurwald und Ballungsraum, festgeschrieben. Als „Ablenkungsmanöver“ entlarvte Frank Buß die Aussage der KV, die Kommunen müssten sich mehr für die hausärztliche Versorgung engagieren. Der Vize-Chef der Freien Wähler im Kreistag hielt deshalb eine Kreiskonferenz mit Vertretern der Kassenärztlichen Vereinigung, der Kreisärzteschaft, der Kommunen sowie des Landkreises für dringend angebracht.

Rainer Stephan, FDP, erkannte zwar die „guten Werte“ in der Altersstruktur der Hausärzte im Kreis, wusste aber auch, dass die Attraktivität des jeweiligen Ortes bei der Besetzung eine Rolle spielt. „Die Anzeigen im Ärzteblatt belegen dies.“ Ebensowenig wie Buß

konnte Stephan ein Versäumnis kommunaler Verbände ausmachen.

Auf eine andere „Baustelle“ hatte bereits Nicolas Fink aufmerksam gemacht – die ärztliche Versorgung in den Pflegeheimen. Hier hakte auch Wolfgang Latendorf, VdK, ein. Für Hausärzte seien die Besuche von Patienten in Pflegeeinrichtungen Zuschussgeschäfte, weshalb die Neigung gering sei, hier tätig zu werden. „Nicht selten werden Patienten am Wochenende liegend ins nächste Krankenhaus transportiert, nur um den Katheter wechseln zu lassen. Das ist für die alten Menschen nicht lustig und außerdem sehr kostenintensiv.“

Die heimärztliche Versorgung sei im Kreisseniorenrat thematisiert worden, informierte Landrat Heinz Eininger die Ausschussmitglieder. Hier gebe es in Esslinger Heimen Pilotprojekte. Dies bestätigte der Vorsitzende des Kreisseniorenrats, Rainer Häußler: „Wir kennen das Problem und wollen gemeinsam mit dem Kreis, den Heimen und den Krankenkassen eine Lösung finden.“

Mit einem Zehn-Punkte-Aktionsprogramm „Landärzte“ will die Landesregierung die Attraktivität der Hausärzte im ländlichen Raum steigern. Der Landkreistag schließt sich dem an, verweist aber darüber hinaus auf die Verantwortung der Kassenärztlichen Vereinigung.