Lokales
Heimatliebe am Heck

Kirchheim. Ein Autofahrer braucht an und für sich nicht viel, um glücklich zu sein: freie Fahrt, ein eigenes

Robert Berndt

Fahrzeug, einen vollen Tank – und ein kleines Stück Individualismus in Form von in dünnes Blech gestanzten Buchstaben und Zahlen. Natürlich darf es nicht irgendeine Kombination sein: Die persönlichen Initialen, die Abkürzung der eigenen Firma und das Geburtsdatum oder -jahr zählen zu den beliebtesten Kandidaten für das persönliche „Nummernschild“.

Die Individualisierung kann aber nur in einem gewissen Rahmen erfolgen. Die ersten ein bis drei Buchstaben, das sogenannte „Unterscheidungszeichen“, sind von den jeweiligen Zulassungsstellen abhängig und werden vorgegeben: „ES“ für den Landkreis Esslingen, „GP“ für den Landkreis Göppingen, ein „S“ für die Stadt Stuttgart und so weiter.

Die identitätsstiftende Wirkung des Kürzels ist nicht zu unterschätzen: Stimmt die Kombination, dann strahlt der Besitzer und streichelt zufrieden das kleine oder große Blech. Manchmal liefert sie auch Spielraum für freiwillige oder unfreiwillige Komik, etwa wenn ein „ES-EL“ oder eine „S-AU“ vor einem fährt.

Ein Vorstoß der Stadt Kirchheim, im Rahmen der vom ehemaligen Verkehrsminister Peter Ramsauer angestoßenen Kennzeichenliberalisierung das Kennzeichen „KIT“ für die Teckstadt zu beantragen, war vor einigen Jahren nicht von Erfolg gekrönt. Die Erschaffung eines neuen Kürzels war nicht zulässig – bislang ist lediglich die Einführung von einst von den Straßen verschwundenen Alt-Kennzeichen erlaubt. Nürtingen beispielsweise kann auf die Rückkehr seines „NT“ hoffen, sollte der Esslinger Kreistag es zulassen. Anderswo ist dies bereits geschehen: Leonberger etwa können sich wieder „LEO“ anstatt „BB“ für den Landkreis Böblingen ans Auto heften, Horb am Neckar bekam sein „HOR“ zurück und darf auf das „FDS“ für den Kreis Freudenstadt verzichten.

Aufmerksamen Verkehrsteilnehmern ist aber vielleicht aufgefallen, dass aktuell vermehrt Kennzeichen mit der Kombination „ES-KI“ auf den heimischen Straßen unterwegs sind. Gibt es etwa eine immer größer werdende Gruppe von in die Stadt Kirchheim verliebten Autofahrern, die auf diese Weise ihrer Heimatverbundenheit Ausdruck verleihen? Warum eigentlich nicht. Zumindest in der eigenen Vorstellung kann man sich gut ausmalen, wie sie sich gegenseitig mit einem wissenden Lächeln im Straßenverkehr begegnen und einander verschwörerisch zuzwinkern.

Geht der Trend beim Wunschkennzeichen tatsächlich zur Heimatliebe am Heck? Oder sind es am Ende einfach nur die Nummernschilder aller Karstens, Konrads und Kerstins der Region, deren Nachname mit dem Buchstaben „I“ beginnt?

Nach einer kurzen Nachfrage bei offizieller Stelle muss der Traum von der eingeschworenen Gruppe heimattreuer Fahrzeughalter der nüchternen Realität weichen. Manche unserer Leser haben es vielleicht schon geahnt: „Es handelt sich bei ‚ES-KI‘ um das aktuelle Serienkennzeichen für die Kfz-Zulassungsstelle Kirchheim“, lautet die Antwort der zuständigen Abteilung des Esslinger Landratsamtes.

Ein Kennzeichen „von der Stange“ also, kein Wunschkennzeichen oder gar Ausdruck von Lokalpatriotismus. Dass das Kürzel „KI“ mit den Anfangsbuchstaben der Stadt Kirchheim übereinstimmt, ist nicht viel mehr als ein bürokratischer Zufall.

Schade, eigentlich. Aber ein Grund zum Schmunzeln ist es ­trotzdem.